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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Beschäftigte, ahnen oft nicht, dass mit meinem Verwaltungschef, den sie als Quasselstrippe und lebenden Kleiderständer abtun, nicht gut Kirschen essen ist. Außerdem ist er unglaublich neugierig und liebt es, mich, wie er es ausdrückt, »auf dem Laufenden zu halten«. Nichts bereitet ihm größeres Vergnügen, als Informationen zusammenzutragen wie eine Elster und sie dann in seinem Nest zu sammeln. Wenn er jemanden nicht leiden kann, ist er ein gefährlicher Gegner. Allerdings wird sein Gegenüber das wahrscheinlich zunächst nicht bemerken. Sein Geplänkel und seine lässige Art sind eine Fassade, hinter der er sein wahres Ich verbirgt. In dieser Hinsicht erinnert er mich an meine frühere Sekretärin Rose. Wer so leichtsinnig war, sie wie eine närrische Alte zu behandeln, wurde gnadenlos einen Kopf kürzer gemacht, ehe er sich’s versah.
    »Das FBI? Das Ministerium für Heimatschutz? Jedenfalls Leute, die ich nicht kenne.« Bryce beugt sich vor und öffnet eine Sporttasche aus Nylon.
    »Wahrscheinlich das FBI …« Aber er lässt mich nicht ausreden.
    »Tja, der Mensch, der so unhöflich zu mir war, sah genau danach aus. Tolle Figur, grauer Anzug, Kamelhaarmantel. Vermutlich feuert das FBI seine Mitarbeiter, sobald sie zu dick werden. Na, dann viel Spaß bei der Anwerbung von Personal in Amerika. Ein Sahneschnittchen, das muss ich ihm lassen.
Wissen Sie, wen ich meine? Kennen wir seinen Namen und seine Außenstelle? In Boston bin ich ihm nie begegnet. Vielleicht ist er ja neu.«
    »Wer?« Meine Gedanken prallen an eine Mauer.
    »Herrje, sind Sie müde. Ich meine den Agenten in dem großen, bösen schwarzen Ford Expedition, der dem Footballspieler aus Glee  … oh, wahrscheinlich schauen Sie sich das nie an, obwohl es die beste Sendung ist, die zurzeit im Fernsehen läuft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die Jane Lynch nicht lieben, außer sie kennen sie nicht. Doch wahrscheinlich schauen Sie sich auch nicht The L Word an. Aber vielleicht ja Best in Show oder Talladega Nights ? Mein Gott, einfach ein Wahnsinn. Der FBI-Bubi in dem schwarzen Ford sieht genauso aus wie Finn …«
    »Bryce …«
    »Wie dem auch sei. Ich habe das viele Blut gesehen und mitgekriegt, wie stark der Tote aus Norton’s Woods im Leichensack geblutet hat. Es war entsetzlich, und ich habe mir gesagt: Das war’s. Jetzt machen sie uns den Laden dicht. Marino hat geschnaubt und geprustet, als wollte er das Haus umpusten, und rumgebrüllt, wie nur Marino es kann, wir hätten jemanden lebendig eingeliefert gekriegt, der dann in der Kühlkammer gestorben sei. Also habe ich zu Ethan gesagt, wir müssten von nun an unser Geld zusammenhalten, weil ich möglicherweise arbeitslos werde. Und das bei dem Arbeitsmarkt, den wir momentan haben. Eine Arbeitslosenquote von zehn Prozent oder etwas ähnlich Alptraumhaftes. Und ich bezweifle stark, dass Doctor G. mich nehmen wird, weil jeder Mitarbeiter an einem rechtsmedizinischen Institut auf dem ganzen Planeten bei ihr arbeiten möchte. Doch falls dieser Laden den Bach runtergeht, würde ich mich freuen, wenn Sie zum Telefon greifen und mich ihr empfehlen könnten. Warum machen wir eigentlich keine Reality-Show? Mal im Ernst. Sie hatten
doch vor ein paar Jahren auch ihre eigene Sendung bei CNN. Weshalb also nicht hier?«
    »Ich muss mit Ihnen über …« Aber das ist zwecklos, wenn er in diesem Zustand ist.
    »Ich bin froh, dass Sie wieder da sind, obwohl es mir leidtut, dass Sie beim Nachhausekommen so eine Katastrophe vorfinden mussten. Die ganze Nacht habe ich wach gelegen und mich gefragt, was ich den Reportern antworten soll. Als ich die Fahrzeuge hinter dem Haus bemerkt habe, dachte ich erst, es seien die Medien, und habe schon mit Übertragungswagen gerechnet …«
    »Bryce, Sie sollten sich beruhigen und vielleicht die Sonnenbrille abnehmen …«
    »Doch soweit ich es mitgekriegt habe, haben die Nachrichten nichts gebracht. Und kein einziger Reporter hat mich angerufen oder hier eine Nachricht hinterlassen …«
    »Ich möchte ein paar Dinge mit Ihnen besprechen. Und dazu müssten Sie mal kurz still sein«, falle ich ihm ins Wort.
    »Schon gut.« Er entfernt die Sonnenbrille und steckt den Fuß in einen schwarzen Basketballschuh. »Ich bin nur ein bisschen überdreht, Dr. Scarpetta. Und Sie wissen ja, wie ich sein kann, wenn ich überdreht bin.«
    »Haben Sie von Jack gehört?«
    »Wo ist der Mund der Wahrheit, wenn man ihn braucht?« Er bindet sich die Turnschuhe zu.

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