Bastard
»Verlangen Sie nicht von mir, dass ich Theater spiele. Außerdem möchte ich Sie mit allem Respekt dazu auffordern, ihm mitzuteilen, dass er nun nicht mehr mein direkter Vorgesetzter ist. Jetzt sind Sie ja wieder zu Hause. Gott sei Dank.«
»Was soll das heißen?«
»Dass er nichts Besseres zu tun hat, als mich herumzuscheuchen, als würde ich am Drive-in-Schalter bei Wendy’s arbeiten. Er brüllt mich an, ist patzig, die Haare fallen ihm
aus, und ich frage mich ständig, ob er gleich jemanden treten wird. Mich zum Beispiel. Vielleicht erdrosselt er mich ja auch mit einem seiner schwarzen Gürtel des soundso vielten Grades oder wie man den Scheiß nennt, entschuldigen Sie die Ausdrucksweise. Es wurde immer schlimmer mit ihm, und wir durften Sie ja in Dover nicht stören. Also habe ich alle gebeten, Sie in Ruhe zu lassen. Gerade ist mir klargeworden, dass Sie die Nacht durchgemacht haben müssen. Sie sehen zum Fürchten aus.« Seine blauen Augen mustern mich von Kopf bis Fuß und registrieren, was ich anhabe, nämlich dieselbe khakifarbene Cargohose und das schwarze Polohemd mit dem Emblem des AFME, die ich in Dover angezogen habe.
»Ich bin auf direktem Weg hierhergefahren und hatte nichts zum Umziehen«, gelingt es mir endlich, wieder zu Wort zu kommen. »Keine Ahnung, warum Sie sich die Mühe machen, ihre L. L. Beans mit einem Paar alter Converse zu vertauschen, die wahrscheinlich noch vom Basketball-Sommerlager übrig sind.«
»Ich weiß, dass Sie einen geschulteren Blick haben. Und außerdem ist Ihnen bekannt, dass ich nie im Basketball-Sommerlager, sondern immer im Musik-Sommerlager war. Hugo Boss, zum halben Preis bei Endless.com . Versandkostenfrei«, fügt er hinzu und steht auf. »Ich mache Kaffee, und Sie möchten sicher welchen. Und nein, ich habe nichts von Jack gehört. Außerdem brauchen Sie mir nicht zu erzählen, dass wir ein Problem haben, das vermutlich mit diesen offenbar an einer Persönlichkeitsstörung leidenden FBI-Beamten auf unserem Parkplatz zusammenhängt. Keine Ahnung, warum sie sich keine Mühe geben, freundlich zu sein. Wenn ich eine dicke Knarre mit mir herumtragen würde und Leute verhaften dürfte, wäre ich die kleine Miss Sonnenschein in Person, würde immer lächeln und wäre nett zu meinen Mitmenschen.
Warum auch nicht?« Bryce schiebt sich an mir vorbei, geht in mein Büro und verschwindet in meinem Badezimmer. »Ich könnte auch bei Ihnen vorbeifahren und Ihnen ein paar Sachen holen, wenn Sie wollen. Sie brauchen es nur zu sagen. Ein Kostüm oder etwas Legeres?«
»Falls ich hier nicht wegkann …«, beginne ich. Eigentlich möchte ich ihm mitteilen, dass ich vielleicht auf sein Angebot zurückkommen werde.
»Wir müssen wirklich einen Schrank für Sie einrichten. Ein bisschen Haute Couture in der Kommandozentrale. Oh, eine Garderobe?«, flötet er, während er den Kaffee zubereitet. »Wenn wir unsere eigene Sendung hätten, hätten wir auch eine Garderobe, einen Friseur und einen Maskenbildner. Niemals müssten Sie in denselben schmutzigen Sachen herumlaufen, die nach Tod riechen. Das heißt natürlich nicht, dass Sie … Nun, wie dem auch sei. Am besten wäre es, wenn Sie nach Hause und sofort ins Bett gehen würden.« Heißes Wasser schießt laut zischend durch eine Kaffeekapsel. »Ich könnte Ihnen auch rasch etwas zu essen besorgen. Ich habe nämlich festgestellt, dass ich, wenn ich müde und übernächtigt bin …« Er kommt mit zwei Kaffeetassen aus meinem Bad. »Es gibt für alles den richtigen Zeitpunkt und Ort. Was halten Sie von einem Croissant mit Würstchen und Ei von Dunkin’ Donuts? Vielleicht sogar von zweien? Sie sind wirklich ein bisschen zu dünn. Das Leben beim Militär bekommt Ihnen nicht, Chefin.«
»Wissen Sie, ob eine Frau namens Erica Donahue hier angerufen hat?«, frage ich ihn, während ich mit einem Kaffee, von dem ich nicht sicher bin, ob ich ihn trinken soll, zu meinem Schreibtisch zurückkehre. In der Hoffnung, dass sich dort wirklich ein Döschen mit Kopfschmerztabletten verbirgt, ziehe ich eine Schublade auf und suche Advils.
»Hat sie. Einige Male.« Bryce, der im Rahmen der Verbindungstür
lehnt, nimmt vorsichtig einen Schluck von dem heißen Kaffee.
»Wann?«, hake ich nach, als er nichts hinzufügt.
»Angefangen hat es, kurz nachdem die Nachrichten etwas über ihren Sohn gebracht hatten. Das war, glaube ich, vor einer Woche. Damals hatte er gerade den Mord an Mark Bishop gestanden.«
»Haben Sie mit ihr gesprochen?«
»In
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