Bastard
hat, bevor er es an die Ehefrauen, Mütter und Lebensgefährtinnen von jung gestorbenen Männern schickte.
Wem hätte Fielding genug vertraut, um ihm Zutritt zu seinem Keller zu gewähren, die Erlöse seines verbotenen Geschäftsbetriebs mit ihm zu teilen und ihn das Haus des Schiffskapitäns sowie vermutlich seine gesamte Habe mitbenutzen zu lassen? Ich erinnere mich an die Worte seines ehemaligen Vorgesetzten, des Chief Medical Examiner in Chicago. Er meinte, er sei froh, dass Jack nach Massachusetts in die Nähe seiner Familie zöge. Allerdings hat er damit nicht Lucy, Marino oder mich gemeint, nein, weit gefehlt. Nicht einmal seine derzeitige Frau und seine beiden Kinder.
Ich habe das Gefühl, dass der Kollege auf eine Person angespielt hat, von deren Existenz ich bis jetzt nichts geahnt habe, und wenn ich nicht so sehr um mich selbst kreisen würde, wäre ich vielleicht schon früher auf diesen Gedanken gekommen.
Wie typisch für mich, meine Rolle in Fieldings Leben derart zu überschätzen! Dabei hat er nicht an mich gedacht, als er gegenüber seinem früheren Vorgesetzten seine Familie erwähnte. Wahrscheinlich ging es ihm um die Tochter seiner ersten Liebe, die vermutlich die erste Frau war, mit der er je Sex gehabt hatte – die Therapeutin in einer Jugendeinrichtung bei Atlanta, die sein Kind zur Welt gebracht und dann weggeben hat, genau wie Fielding selbst weggegeben worden war. Ein Mädchen mit genetischer Vorbelastung, wie Benton es formuliert hat, weshalb sie vermutlich selbst im Gefängnis, wenn nicht gar tot sei. Letztes Jahr ist sie von Berkeley hierhergezogen. Und Fielding kam aus Chicago.
»1978«, sage ich, als ich in das dämmrige, gemütliche Wohnzimmer mit seinen eingebauten Bücherregalen und den frei liegenden alten Deckenbalken komme. Die Lichter sind ausgeschaltet, und im Backsteinkamin knistert ein fröhliches Feuer. Als Benton mit dem Schüreisen ein Holzscheit verschiebt, stieben Funken. »Sie müsste ungefähr in Lucys Alter sein, etwa einunddreißig.« Ich reiche ihm ein Glas Scotch; viel Whisky mit nur wenigen Eiswürfeln. Der Whisky leuchtet im Schein des Feuers kupferrot. »Glaubst du auch, dass Dawn Kincaid seine leibliche Tochter ist? Ich bin nämlich ziemlich sicher. Hoffentlich warst du darüber nicht auch bereits im Bilde.«
»Nein, ich schwöre. Falls es überhaupt stimmt.«
»Du hast dich wirklich nicht mit Dawn Kincaid oder einem Kind befasst, das Fielding mit einer Frau gezeugt hat, die heute im Gefängnis sitzt?«
»Ich schwöre. Vergiss nicht, wie wenig Zeit wir hatten, Kay.« Wir nehmen nebeneinander auf dem Sofa Platz; Sock lässt sich auf meinem Schoß nieder. »Bis letzte Woche hat sich niemand für Fielding interessiert, zumindest nicht wegen eines Verbrechens oder einer Gewalttat. Allerdings hätte ich mir die Mühe machen sollen, mehr über das zur Adoption freigegebene Baby herauszufinden«, antwortet Benton und scheint sich ein wenig über sich selbst zu ärgern. »Irgendwann hätte ich es sicher getan. Ich hatte es nur noch nicht erledigt, weil es mir nicht wichtig erschien.«
»Im Großen und Ganzen betrachtet, war es das zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht. Ich mache dir keine Vorwürfe.«
»Aus den Unterlagen wusste ich, dass das Baby, ein Mädchen, zur Adoption freigegeben wurde, während die Mutter ihre erste Haftstrafe verbüßte. Eine Vermittlungsagentur in Atlanta«, erwidert er. »Vielleicht hat sie sich wie viele adoptierte Kinder auf die Suche nach ihren leiblichen Eltern gemacht. «
»Und für jemanden, der so klug ist wie sie, war das sicher nicht schwierig.«
»Herrgott.« Benton trinkt einen Schluck Scotch. »Immer stolpert man über die eine Sache, die man auf die lange Bank geschoben hat.«
»Schon gut. So ist es eben. Man kann nicht auf alles achten. «
Wir sitzen auf dem Sofa und betrachten das Feuer. Sock hat sich auf meinem Schoß zusammengerollt. Er hängt an mir und lässt mich nicht aus den Augen. Ständig braucht er Körperkontakt, als glaubte er, dass ich mich in Luft auflösen und ihn wieder in einem heruntergekommenen Haus allein lassen könnte, wo schreckliche Dinge geschehen.
»Meiner Ansicht nach sind die Chancen sehr hoch, dass die DNA-Tests unseren Verdacht in Sachen Dawn Kincaid
bestätigen werden«, fährt Benton mit matter Stimme fort. »Ich wünschte, wir hätten es schon früher gewusst, doch es gab keinen Grund für gründliche Nachforschungen.«
»Du musst es nicht noch öfter wiederholen. Warum hättest
Weitere Kostenlose Bücher