Bastard
könnte, einschließlich der amerikanischen Regierung, falls es gewissen Leuten in den Kram passt. Nachdem ich diesen Vortrag eine Weile über mich hatte ergehen lassen, hat sie mich noch mehr geängstigt, indem sie mir erklärte, wie mühelos sich so ein Sprengsatz unter dem Gepäck oder einer Fußmatte im hinteren Teil des Helikopters verstecken ließe, so dass er bei der Explosion den Treibstofftank unter den Rücksitzen zerreißen würde. Dann verwandelt sich der Hubschrauber in ein Krematorium , fügte sie hinzu, was mich wieder an den Soldaten im Humvee und die Hasstirade seiner leidgeprüften Mutter am Telefon erinnert hat. Den Großteil des Fluges hing ich bedrückenden Gedanken nach, denn jede geschilderte Katastrophe ruft deutliche Bilder meiner eigenen Fälle in mir wach. Ich weiß, wie Menschen sterben. Und ich weiß auch genau, was in diesem Fall mit mir passieren würde.
Lucy stellt die Zündung ab und zieht die Rotorbremse. Als der Rotor stoppt, öffnet sich die Fahrertür von Bentons
Wagen. Die Innenbeleuchtung geht nicht an. Das wird sie auch in den anderen Geländefahrzeugen auf der Rampe nicht tun, da Polizisten und FBI-Agenten ihre Marotten haben. Sie sitzen nie mit dem Rücken zur Tür. Sie schnallen sich nur sehr ungern an. Und sie haben etwas gegen Innenbeleuchtung in ihren Autos. Man hat ihnen eingebläut, Hinterhalte und Gurte, die sie an der Flucht hindern könnten, zu meiden. Außerdem wollen sie sich nicht in beleuchtete Zielscheiben verwandeln. Sie sind wachsam. Allerdings nicht so wachsam wie Lucy in den letzten Stunden.
Benton nähert sich dem Helikopter und wartet neben dem Karren, die Hände in den Taschen einer alten schwarzen Lammfelljacke, die ich ihm vor vielen Jahren zu Weihnachten geschenkt habe. Der Wind zaust sein silbergraues Haar. Groß und schlank hebt er sich vor der verschneiten Nacht ab. Seine Züge sind im Spiel aus Licht und Schatten klar zu erkennen. Wenn ich ihn nach einer langen Trennung wiedersehe, betrachte ich ihn stets mit den Augen einer Fremden und fühle mich wieder von ihm angezogen wie bei unserer ersten Begegnung vor vielen Jahren in Virginia. Damals war ich der neue Chief Medical Examiner, die erste Frau in den USA, die einem so großen rechtsmedizinischen Institut vorstand. Er war eine Legende beim FBI, der berühmteste Profiler und Leiter der damaligen Abteilung für Verhaltensforschung in Quantico. Als er in meinen Konferenzsaal spaziert kam, fühlte ich mich plötzlich befangen und verunsichert, und das hatte nichts mit den Serienmorden zu tun, die wir gerade erörterten.
»Kennst du diesen Typen?«, flüstert er mir ins Ohr, als wir uns umarmen. Er küsst mich sanft auf die Lippen, und ich rieche den holzigen Duft seines Rasierwassers und spüre das weiche Leder seiner Jacke an der Wange.
Dann schaue ich an ihm vorbei und den Mann an, der aus
der Limousine steigt. Inzwischen kann ich erkennen, dass es ein dunkelblauer oder schwarzer Bentley ist, dessen V12-Motor leise schnurrt. Der Mann ist groß und übergewichtig, hat schlaffe Wangen und einen schütteren Haarkranz, der im Wind flattert. Bekleidet ist er mit einem langen Mantel. Er hat den Kragen bis über die Ohren hochgeschlagen und trägt Handschuhe. Höflich Abstand haltend, gibt er sich so diskret wie der Chauffeur eines britischen Adligen. Allerdings spüre ich, dass er uns beobachtet. Benton scheint ihn sehr zu interessieren.
»Sicher wartet er auf jemand anders«, stelle ich fest, als der Mann zwischen Benton und dem Helikopter hin und her blickt.
»Kann ich Ihnen helfen?« Benton tritt auf ihn zu.
»Ich suche Dr. Scarpetta.«
»Und warum suchen Sie Dr. Scarpetta?« Benton verhält sich zwar freundlich, aber auch bestimmt und unzugänglich.
»Ich soll etwas hier abgeben. Man hat mir gesagt, die betreffende Person befände sich in diesem Helikopter oder erwarte ihn hier.«
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe den Auftrag, Dr. Scarpetta etwas persönlich auszuhändigen. Sind das vielleicht Sie?« Der Fahrer sieht zu, wie Lucy und Marino meine Sachen aus der Passagierkabine und dem Gepäckraum holen. Ich bin für ihn nicht vorhanden, und er würdigt mich keines Blickes. Offenbar bin ich nur die Frau des hochgewachsenen, attraktiven Mannes mit dem silbergrauen Haar. Der Fahrer hält Benton für Dr. Scarpetta und glaubt, der Helikopter gehöre ihm.
»Am besten sorgen wir dafür, dass Sie so schnell wie möglich aufbrechen können, bevor wir noch einen Schneesturm bekommen«,
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