Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Zeit für die Leichenbergung auf dem Schlachtfeld, mit anderen Worten: zum Abtransport von Toten im Krieg, eingesetzt werden sollte. MORT war ein Projekt, gegen das ich vor Jahren heftig opponiert habe. Doch der seltsame Umstand, dass sich so ein Ding in der Wohnung des Toten befindet, erklärt Lucys Verhalten nicht.
    Wann hat sie mir schon einmal solche Angst gemacht – nicht, dass das das einzige Mal gewesen wäre –, weil ich befürchtete, sie könnte im Gefängnis landen? Vor sieben oder acht Jahren, sage ich mir, als sie aus Polen zurückkam. Dort war sie an einer Mission von FBI-Agenten in Zusammenarbeit mit Interpol beteiligt. Bis heute weiß ich nicht, worum genau es ging. Ich habe keine Ahnung, wie viel sie mir verraten würde, wenn ich sie stark genug bedrängte. Aber ich werde es nicht tun. Ich habe nämlich beschlossen, was die besagte Aktion angeht, lieber im Dunkeln zu tappen. Was ich weiß, ist genug. Mehr als genug. So würde ich niemals über Lucys Gefühle, ihre Gesundheit oder ihr allgemeines Wohlbefinden sprechen. Jedes einzelne Molekül von ihr ist mir wichtig. Doch mit einigen verschlungenen und geheimen Seiten ihres Lebens ist es eine andere Sache. Für sie und mich ist es besser, wenn ich bei manchen Dingen nicht nachhake. Es gibt Geschichten, die nicht erzählt werden wollen.
    Während der letzten Stunde unseres Flugs nach Hanscom Field ist sie immer geistesabwesender und ungeduldiger, aber gleichzeitig übertrieben wachsam geworden. Insbesondere die Wachsamkeit ist eine Eigenart, die ich nur zu gut kenne; sie ist eine Waffe, die sie dann zückt, wenn sie sich bedroht fühlt und in die gewisse Stimmung gerät, vor der ich mich
früher gefürchtet habe. Beim Auftanken in Oxford, Connecticut, hat sie den Helikopter keine einzige Sekunde aus den Augen gelassen. Außerdem hat sie den Tankwagen beobachtet. Ich musste im kalten Wind die Aufpasserin spielen, als sie ins Flughafengebäude lief, um zu bezahlen, denn sie traut Marino den Wachdienst, wie sie es ausgedrückt hat, nicht zu. Sie hat mir erklärt, dass er, als sie auf dem Flug nach Dover in Wilmington, Delaware, aufgetankt haben, so sehr mit Telefonieren beschäftigt gewesen sei, dass er sich weder um die Sicherheit noch um das geschert habe, was um ihn herum geschah.
    Sie sagt, sie habe ihm durchs Fenster dabei zugeschaut, wie er redend und gestikulierend auf dem Vorfeld hin und her lief. Zweifellos war er damit beschäftigt, Briggs von dem Toten zu berichten, der angeblich noch lebte, als man ihn in meine Kühlkammer eingesperrt hatte. Kein einziges Mal habe sich Marino zum Hubschrauber umgedreht, empört sich Lucy. Er habe es nicht einmal bemerkt, als ein anderer Pilot auf die Maschine zugeschlendert sei, um sie sich aus der Nähe anzuschauen, in die Hocke ging, das Nachtsichtgerät und die Nightsun-Scheinwerfer inspizierte und dann durch die Plexiglasscheibe in die Kabine starrte. Marino habe völlig vergessen, dass die Türen und der Tank nicht verriegelt waren und dass es unmöglich ist, die Kabine zu sichern. Man kann die Triebwelle, den Motor und die Gangschaltung, also die lebenswichtigen Organe eines Hubschraubers, erreichen, indem man einfach ein paar Klappen öffnet.
    Ein wenig Wasser im Tank genügt für einen Flammabriss und ein Motorversagen in der Luft. Wenn man zum Beispiel den Behälter, der die Hydraulikflüssigkeit enthält, mit einer kleinen Prise eines Fremdstoffs, zum Beispiel Erde, Öl oder Wasser, verunreinigt, fallen die Kontrollhebel aus wie die Servolenkung eines Autos – nur mit ernsthafteren Folgen, weil
man sich siebenhundert Meter hoch in der Luft befindet. Wer eine wirkliche Katastrophe auslösen will, verschmutzt Treibstoff und Hydraulikflüssigkeit und erzeugt auf diese Weise gleichzeitig einen Flammabriss und einen Hydraulikausfall. Lucy hat mir – die Gegensprechanlage war während des Flugs auf »Besatzung« gestellt, damit Marino nicht mithörte – die grausigen Einzelheiten geschildert. Besonders fatal würde es sich nach Einbruch der Dunkelheit erweisen, wenn eine an sich schon heikle Notlandung noch dadurch erschwert wird, dass man nicht sieht, was sich unter einem befindet. Man kann nur hoffen, dass es weder Bäume noch Stromleitungen oder andere Hindernisse sind.
    Natürlich ist das Anbringen eines Sprengsatzes der Sabotageakt, den sie am meisten fürchtet. Sprengstoffe und ihre Anwendung beschäftigen sie ohnehin sehr. Ständig grübelt sie darüber nach, wer sie gegen uns einsetzen

Weitere Kostenlose Bücher