Bastard
Nachrichten gesehen. Und wenn ein Student aus Harvard ein solches Verbrechen gesteht, wird natürlich überall darüber berichtet. Du willst vermutlich darauf hinaus, dass man mir bis jetzt bestimmte Einzelheiten vorenthalten hat.«
Wieder antwortet Benton nicht. Ich male mir aus, wie Fielding mit Donahues Mutter gesprochen hat. Durchaus möglich, dass er ihr verraten hat, wo ich mich heute Abend aufhalten würde. Daraufhin hat sie ihren Fahrer beauftragt,
mir einen Umschlag auszuhändigen. Allerdings schien dieser Fahrer nicht zu wissen, dass Dr. Scarpetta eine Frau ist. Ich betrachte Bentons schwarze Lammfelljacke. In der Dunkelheit kann ich undeutlich die Kante des weißen Umschlags in seiner Jackentasche ausmachen.
»Warum sollte jemand aus deinem Institut mit der Mutter des Menschen sprechen, der das Verbrechen gestanden hat?« Bentons Frage klingt eher wie eine Feststellung. Rhetorisch. »Vielleicht gibt es ja eine logische Erklärung, auf welchem Weg sie es erfahren hat. Eine, die nicht mit Jack zusammenhängt. Ich bemühe mich, für alles offen zu sein.«
Er klingt aber ganz und gar nicht danach, sondern eher, als glaubte er, Fielding habe einen Grund gehabt, es Mrs. Donahue zu sagen. Allerdings kann ich mir auch nicht annähernd keinen denken. Außer Marino hat mit seiner Bemerkung von vorhin recht gehabt, Fielding lege es darauf an, dass ich meinen Job verlöre.
»Wir beide kennen die Antwort.« Mein selbstbewusster Tonfall macht mir klar, was ich Jack Fielding alles zutraue. »Soweit ich weiß, ist in den Nachrichten nichts darüber gekommen. Und selbst wenn Mrs. Donahue es so erfahren hat, hat ihr das doch keinen Hinweis auf die Hecknummer von Lucys Helikopter geliefert. Auch nicht darauf, dass ich mit einem Helikopter in Hanscom landen werde und wann.«
Als Benton weiter in Richtung Cambridge fährt, tobt draußen ein Schneesturm. Die Flocken werden kleiner, und ein böiger Wind peitscht das Auto und bringt es zum Schwanken. Die Nacht ist wechselhaft und trügerisch.
»Nur, dass der Fahrer dich mit mir verwechselt hat«, füge ich hinzu. »Das habe ich daran erkannt, wie er dich behandelt hat. Er hat dich für Dr. Scarpetta gehalten. Dabei muss Johnny Donahues Mutter doch wissen, dass ich kein Mann bin.«
»Schwer zu sagen, was sie weiß«, erwidert Benton. »In diesem
Fall ist Fielding der zuständige Rechtsmediziner, nicht du. Wie du bereits angemerkt hast, hast du nichts damit zu tun. Offiziell bist du nicht verantwortlich.«
»Als Chief Medical Examiner bin ich letztlich immer verantwortlich. Im Grunde genommen fallen alle Autopsien in Massachusetts in meine Zuständigkeit. Also habe ich doch etwas damit zu tun.«
»So habe ich es nicht gemeint, aber ich bin froh, dass du es selbst aussprichst.«
Natürlich hat er das nicht gemeint. An das, was er mir wirklich sagen wollte, möchte ich lieber gar nicht denken. Ich war fort. Man hat von mir erwartet, in Dover zu sein und gleichzeitig in Abwesenheit das CFC an den Start zu bringen. Vielleicht war das zu viel verlangt. Vielleicht hat man mein Scheitern von vornherein mit eingeplant.
»Das soll heißen, dass du seit der Eröffnung des CFC von der Bildfläche verschwunden warst«, fährt Benton fort. »Verschwunden in der Nachrichtensperre.«
»Absichtlich«, entgegne ich. »Beim Rechtsmedizinischen Institut des Militärs hält man nicht viel von Öffentlichkeitsarbeit. «
»Natürlich war es absichtlich. Ich mache dir keinen Vorwurf. «
»Briggs’ Absicht.« Ich spreche das aus, worauf Benton vermutlich hinauswill.
Er traut Briggs nicht über den Weg. Das hat er noch nie. Ich habe es bis jetzt immer auf Eifersucht geschoben. Briggs ist ein sehr mächtiger und gefährlicher Mann, während Benton sich seit seinem Abschied vom FBI weder mächtig noch gefährlich gefühlt hat. Außerdem haben Briggs und ich eine gemeinsame Vergangenheit. Er ist einer der wenigen Menschen in meinem Leben, die ich schon länger kenne als Benton.
»Der AFME wollte nicht, dass du Interviews zum Thema
CFC gibst oder öffentlich über irgendwelche Vorgänge in Dover sprichst, ehe das Institut nicht eröffnet war und du deinen Lehrgang beendet hattest«, fügt Benton hinzu. »Deshalb hast du eine geraume Weile nicht im Rampenlicht gestanden. Ich überlege gerade, wann du zuletzt bei CNN aufgetreten bist. Es ist mindestens ein Jahr her.«
»Zufälligerweise sollte ich heute Abend zum ersten Mal wieder vor die Kamera. Und genauso zufällig wurde der Termin bei CNN
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