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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Bluterguss ansah oder etwas vermaß. Allerdings bin ich nie schlampig mit meinem Arbeitsplatz oder meinen Instrumenten umgegangen. Ich war nie nachlässig.
    Niemals hätte ich auch nur eine Nadel auf den Instrumentenwagen zurückgelegt, ohne sie zuerst mit heißem Seifenwasser
abzuspülen. Das Prasseln von heißem Wasser in tiefen Metallbecken war in den Autopsiesälen meiner Vergangenheit ein allgegenwärtiges Geräusch. Selbst damals in Richmond – oder sogar schon früher, als ich gerade im Walter Reed anfing  – wusste ich über DNA Bescheid. Mir war bekannt, dass ihre Zulassung als Beweis vor Gericht unmittelbar bevorstand, so dass sie bald zum Standard in der Forensik werden würde. Ab diesem Zeitpunkt würden unsere Schritte am Tatort, im Autopsiesaal und im Labor im Zeugenstand hinterfragt werden, Verunreinigungen sich als ultimatives Schreckensszenario erweisen. Deshalb sterilisieren wir im CFC unsere Instrumente zwar nicht mit Dampf, aber wir halten sie auch nicht nur kurz unters fließende Wasser und werfen sie anschließend auf ein nicht sauberes Schneidebrett.
    Als ich ein fünfundvierzig Zentimeter langes Sektionsmesser zur Hand nehme, bemerke ich eine angetrocknete Blutspur am zerkratzten Griff aus Edelstahl. Außerdem ist die Klinge selbst voller Kratzer, schartig und fleckig, nicht rasiermesserscharf und funkelnd wie poliertes Silber. Auch am gezackten Blatt einer Knochensäge entdecke ich Blut. Hinzu kommen verkrustete Blutspritzer an einer Spule mit gewachstem, fünfsträngigem Garn und an einer doppelt gebogenen Nadel. Als ich Pinzetten, Scheren, Rippenschere, Meißel und eine biegsame Sonde unter die Lupe nehme, bin ich entsetzt über den erbärmlichen Zustand der Gerätschaften.
    Ich werde Anne anweisen, meinen Arbeitsplatz mit dem Schlauch abzuspritzen und sämtliche Instrumente zu reinigen, bevor wir den Mann aus Norton’s Woods obduzieren. Den ganzen verdammten Autopsiesaal werde ich vom Boden bis zur Decke schrubben lassen. Und noch ehe meine erste Woche zu Hause vorbei sein wird, werde ich sämtliche Anlagen überprüfen lassen, beschließe ich, während ich die Handschuhe wechsle und zu einer Arbeitsfläche gehe, wo
eine große weiße Papierrolle – wir nennen es Metzgerpapier – in einem Spender an der Wand hängt. Ein lautes Ratschen ertönt, als ich ein Stück Papier abreiße und einen Autopsietisch in der Mitte des Raums abdecke – einen, der sauberer zu sein scheint als meiner.
    Ich ziehe einen Einwegkittel über meine Uniform, ohne mich mit den langen Schnürbändern am Rücken abzumühen, und kehre dann an meinen verschmutzten Arbeitsplatz zurück. An der Wand steht ein großer Trockenschrank aus weißem Polypropylen mit Hartgummirollen. Ich entriegele die zweiflüglige Acryltür, indem ich einen Code in das digitale Tastenfeld eingebe. Im Schrank hängen eine mittelgrüne Nylonjacke mit schwarzem Fleecekragen, ein blaues Jeanshemd, eine schwarze Cargohose und eine Boxershorts an Kleiderbügeln aus Edelstahl. Auf der Ablage darunter befinden sich ein Paar abgetragene braune Lederstiefel und graue Wollsocken. Einige der Kleidungsstücke erkenne ich von dem Video wieder, weshalb es mich beunruhigt, sie hier so zu sehen. Der Zentrifugenventilator und die HEPA-Abgasfilter surren leise, während ich die Stiefel und die Socken betrachte und sie nacheinander hochhebe, ohne etwas Bemerkenswertes zu entdecken. Die Boxershorts mit Eingriff und elastischem Taillenbündchen besteht aus weißer Baumwolle, ich kann nichts Ungewöhnliches, weder Flecken noch Beschädigungen, feststellen.
    Nun breite ich die Jacke auf dem Metzgerpapier aus und kontrolliere die Taschen, um mich zu vergewissern, dass nichts vergessen worden ist. Dann hole ich mir ein Kleidungsdiagramm und fange an, mir Notizen zu machen. Der Kragen besteht aus einem dichten Kunstpelz und ist mit Erde, Sand und Stücken von trockenem braunem Laub bedeckt, die beim Sturz auf den Boden daran haften geblieben sind. Auch die dicken Strickmanschetten sind verschmutzt. Der grüne
Nylonstoff ist ausgesprochen stabil und offenbar reißfest und wasserdicht. Das schwarze Innenfutter ist wattiert, also auch nicht leicht zu durchdringen, falls das Messer nicht starr und sehr scharf gewesen ist. Am Innenfutter kann ich kein Blut entdecken. Doch von außen ist die Jacke an den Schultern, den Ärmeln und am Rücken mit schwarzem Blut verkrustet, das sich am Grund des Leichensacks gesammelt hat, als der Mann darin in mein Institut gebracht

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