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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wurde.
    Ich kann nicht sagen, wie lange er geblutet hat, während er im Leichensack und in der Kühlkammer lag. Jedenfalls ist nicht die Wunde die Ursache. Als ich das Jeanshemd – langärmelig, Herrengröße »small« – ausbreite, das noch leicht nach einem Parfüm oder Rasierwasser riecht, erkenne ich nur einen dunklen, rings um den durch den Einstich erzeugten Schlitz angetrockneten Blutfleck. Offenbar decken sich Marinos und Annes Berichte mit den Tatsachen. Der Mann hat aus Nase und Mund geblutet, als er voll bekleidet im Leichensack lag. Sein Kopf war zur Seite gewandt, vermutlich zu derselben wie bei meiner Untersuchung vorhin in der Radiologie. Offenbar ist das Blut stetig von seinem Gesicht in den Leichensack getropft, hat sich darin gesammelt und ist schließlich ausgetreten. Das sehe ich auf den ersten Blick, als ich den Leichensack in Erwachsenengröße betrachte. Er ist schwarz mit einem Reißverschluss aus Nylon und von der Art, wie sie Transportdienste für gewöhnlich verwenden. Seitlich sind mit Nieten geflochtene Griffe angebracht, häufig die Schwachstelle, wenn es zu Lecks kommt, vorausgesetzt, der Sack selbst ist unbeschädigt und weist weder Risse noch fehlerhafte Schweißnähte auf. Durch Nieten kann Blut austreten, insbesondere dann, wenn es sich um einen sehr billigen Sack handelt. Dieser hier hat etwa fünfundzwanzig Dollar gekostet, besteht aus dickem PVC und wurde vermutlich palettenweise gekauft.

    Als ich mir die CT-Aufnahmen vergegenwärtige und mir klarmache, wie rasch dieser offensichtliche Blitzangriff zu Verletzungen geführt hat, erscheinen mir die Blutungen noch unverständlicher. Ich begreife es noch weniger als nach Marinos Schilderung in Dover. Die schweren Schäden an den Organen des Mannes hätten zu einer Lungenblutung führen müssen, mit dem Ergebnis, dass er aus Mund und Nase geblutet hätte. Allerdings mehr oder weniger sofort. Mir will nicht in den Kopf, warum er nicht am Tatort geblutet hat. Während der Wiederbelebungsversuche durch die Sanitäter hätte er aus den Körperöffnungen im Gesicht bluten müssen, ein klarer Hinweis darauf, dass er nicht wegen einer Herzrhythmusstörung tot zusammengebrochen ist.
    Ich verlasse den Autopsiesaal und gehe nach oben. Wieder stelle ich mir die Videoaufnahmen vor und erinnere mich daran, dass mich die schwarzen Handschuhe verwundert haben. Warum hat er sie beim Betreten des Parks angezogen? Wo sind sie jetzt? Ich habe keine Handschuhe gefunden. Weder im Asservatenspind noch im Trockenschrank. Auch in den Jackentaschen waren sie nicht. Doch auf den Aufnahmen, die der Kopfhörer des Mannes heimlich gemacht hat, trug er bei seinem Tod Handschuhe. Ich lasse die Bilder auf Lucys iPad, die ich mir auf der Fahrt zum Terminal für Zivilmaschinen angesehen habe, Revue passieren. Eine schwarz behandschuhte Hand glitt durchs Bild, als hätte der Mann nach etwas geschlagen. Ein Scharren ertönte, als seine Hand den Kopfhörer berührte und seine Stimme rief: »Was zum …? Hey …!« Dann kahle Bäume, die um ihn herumwirbelten. Schiefersplitter, die auf dem Boden näher kamen. Ein dumpfer Aufprall und der Saum eines langen, schwarzen, vorbeiwehenden Mantels. Anschließend Stille und zu guter Letzt die Stimmen von Menschen, die ihn umringten und riefen, dass er nicht mehr atme.

    Als ich die Radiologie erreiche, ist die Tür geschlossen. Ich schaue hinein, aber alle sind fort. Der Kontrollraum ist menschenleer und still. Auf der anderen Seite der Bleiglasscheibe schimmert das CT-Gerät weiß im Dämmerlicht. In der Hoffnung, Anne könnte ans Mobiltelefon gehen, greife ich zum Hörer. Falls sie schon im McLean und im Labor ist, kann ich sie wegen der dicken Wände des Gebäudes nicht erreichen. Doch zu meiner Überraschung nimmt sie das Gespräch an.
    »Wo sind Sie?«, frage ich. Im Hintergrund höre ich Musik.
    »Wir fahren gerade vor«, antwortet sie. Offenbar sitzt sie im Transporter. Marino steuert den Wagen und hat das Radio eingeschaltet.
    »Haben Sie ein paar schwarze Handschuhe gefunden, als Sie ihn ausgezogen haben?«, erkundige ich mich. »Wahrscheinlich hat er ein Paar dicke schwarze Handschuhe getragen. «
    Eine Pause entsteht. Sie sagt etwas zu Marino. Ich erkenne seine Stimme, verstehe das Gespräch aber nicht. »Nein«, erwidert sie schließlich. »Und Marino meint, bei der Einlieferung der Leiche ins ID wären da keine Handschuhe gewesen. Er erinnert sich nicht an Handschuhe.«
    »Schildern Sie mir genau, was gestern

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