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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ein Bäuchlein, unreine, gerötete Haut und mit Gel zurückgekämmte und festgeklebte Strähnen, um den kreisrunden Haarausfall zu tarnen. Auf dem nächsten Bild, aufgenommen bei einem Kampfsportturnier vor einem knappen Monat, wirkt er im Anzug eines Großmeisters und mit schwarzem Gürtel ganz und gar nicht, als wäre er gut in Form und in sich ruhend. Er sieht nicht aus wie ein Mensch, der Freude an
Ästhetik und Technik hat. Nicht wie jemand, der sein Gegenüber achtet, sich selbst im Griff hat oder Respekt vor irgendetwas empfindet. Eher, als verzettelte er sich, wäre ein wenig aus dem Tritt geraten und fühlte sich hundeelend.
    Warum? , richte ich die lautlose Frage an das Foto aus früheren Zeiten, das ihn mit seinem geliebten Auto zeigt. Damals, als er noch ein atemberaubender Anblick war, sorglos und lebendig. Ein Mann, in den man sich leicht hätte verlieben können. Dem man das Kommando oder das eigene Leben anvertraut hätte. Was hat sich verändert? Was hat dich so unglücklich gemacht? Was war es diesmal? Er hasst es, für mich zu arbeiten. Das war schon beim letzten Mal in Watertown so, als er nicht lange geblieben ist. Und jetzt, im CFC, verabscheut er es sogar noch mehr, so viel steht fest. Sein Aussehen hat sich im vergangenen Spätsommer drastisch zum Schlechten gewandelt, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als wir endlich der Strafjustiz unsere Türen öffnen und die ersten Fälle übernehmen konnten. Ich war, mit Ausnahme des Labor-Day-Wochenendes, nicht einmal in Massachusetts. Also kann es nicht meine Schuld sein. Nur dass es schon immer meine Schuld war. Ich habe mir schon lange Vorwürfe wegen Fieldings Zusammenbrüchen gemacht, und von denen hatte er mehr, als ich zu zählen wage.
    Ein ums andere Mal helfe ich ihm beim Aufstehen, und er fällt erneut, nur dass es jedes Mal ein bisschen mehr rumst. Es wird unschöner. Und blutiger. Wieder und wieder. Wie ein Kind, das laufen lernt, und ich werde mich nicht damit abfinden, bis die Schäden nicht mehr gutzumachen sind. Das Drama mit dem stets vorhersehbaren Ende läuft genau so ab, wie Benton es beschrieben hat. Fielding eignet sich nicht zum Rechtsmediziner und ist es meinetwegen geworden. Es wäre besser für ihn gewesen, wenn er mir im Frühjahr 1988 nicht begegnet wäre, als er noch überlegte, welche Richtung er einschlagen
sollte. Ich habe ihm gesagt, ich wisse da etwas für ihn. Lass es mich dir zeigen. Lass es mich dir beibringen. Wenn er nie nach Richmond gekommen wäre und mich nie kennengelernt hätte, hätte er vielleicht einen Lebensweg gefunden, der besser zu ihm passt. Er selbst, nicht ich, hätte über seine Karriere und sein Leben bestimmt.
    Denn darauf läuft es letztlich hinaus: Er schlägt sich in einem Umfeld, das eigentlich schädlich für ihn ist, so gut durch, wie er kann, bis er es schließlich nicht mehr aushält, umkippt, zusammenbricht und sich daran erinnert, warum er so geworden ist und wer ihn dazu gemacht hat. Dann rage ich so groß wie eine Plakatwand über seiner traurigen Existenz auf. Seine Reaktion auf solche Krisen fällt immer gleich aus. Er löst sich in Luft auf. Eines Tages verschwindet er einfach vom Radarschirm, und seine Hinterlassenschaften, die ich dann vorfinde, sind ein Grauen. Fehlerhaft bearbeitete oder verschlampte Fälle. Aktennotizen, die auf seinen Kontrollverlust und seine getrübte Urteilsfähigkeit hinweisen. Kränkende Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, die er nicht gelöscht hat, weil er wollte, dass ich sie höre. Beleidigende E-Mails oder andere Botschaften, die ich finden soll. Also setze ich mich auf seinen Stuhl und fange an, Schubladen zu öffnen. Ich muss nicht lange kramen.
    Die Aktenmappe ist nicht beschriftet und enthält vier um 8 Uhr 03 des gestrigen Morgens, also am 8. Februar, ausgedruckte Seiten. Es handelt sich um eine Rede, die, ausgehend von den übrigen Informationen in der Kopfzeile und im Betreff, von der Website der Royal United Services stammt. Diese einhundert Jahre alte britische Denkfabrik unterhält strategisch platzierte Zweigstellen auf der ganzen Welt. Die Royal United Services befassen sich mit den neuesten Erfindungen im Rahmen der nationalen und internationalen Sicherheit, weshalb ich mir nicht vorstellen kann, warum Fielding sich
damit beschäftigt. Welchen Grund mag er gehabt haben, sich mit einer pragmatischen Ansprache von Russell Brown, Verteidigungsminister im Schattenkabinett, zu befassen, in der er seine Ansichten zum Thema

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