Bastard
Roboter, die uns mit Elektroschockern betäubten. Roboter, die uns erschössen. Roboter, die wie riesige Insekten aussähen und Tote und Verwundete vom Schlachtfeld schleppten. Dr. Saltz hat vor demselben Unterausschuss des Senats ausgesagt wie ich, allerdings zu einem anderen Zeitpunkt. Gemeinsam haben wir einem Hightech-Unternehmen
namens Otwahl, das ich bis vor ein paar Stunden ganz vergessen hatte, eine schwere Breitseite verpasst.
Ich bin Saltz nur einmal begegnet, und zwar, als wir beide zufällig bei CNN vor der Kamera standen. »Autorobopsien«, witzelte er und zeigte mit dem Finger auf mich.
»Verzeihung?«, antwortete ich und nahm das Mikrofon ab, während er in die Kulisse trat.
»Autopsien, durchgeführt von Robotern. Eines Tages werden sie Ihren Platz einnehmen, meine gute Frau Doktor. Vielleicht schon früher, als Sie glauben. Wir sollten nach der Sendung einen trinken gehen.«
Er war ein Mann mit strahlenden Augen, der mit seinem langen grauen Pferdeschwanz und dem eingefallenen Gesicht an einen angejahrten Hippie erinnerte. Dennoch verbreitete er ein Knistern wie ein unter Strom stehendes, nicht isoliertes Kabel. Das war vor zwei Jahren. Ich hätte seine Einladung annehmen, bei CNN auf ihn warten und etwas mit ihm trinken sollen, um seine Haltung besser zu verstehen, denn es handelt sich dabei nicht nur um Hirngespinste. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen, kann jedoch seiner Präsenz in den Medien nicht entgehen. Ich überlege, ob ich aus irgendeinem Grund ihm gegenüber je Fielding erwähnt habe. Ich glaube nicht und kann mir auch keinen Anlass dafür vorstellen. Wo liegen die Verbindungen? Ich suche weiter.
Die Medizinische Fakultät an der University of Sheffield in South Yorkshire genießt einen ausgezeichneten Ruf, doch das wusste ich bereits. Ihr Motto lautet: rerum cognoscere causas – den Dingen auf den Grund gehen . Wie passend, wie ironisch. Ich brauche nämlich Gründe. Forschung. Ich klicke den Begriff an. Erderwärmung. Weltweite Bodenerosion. Neuansätze in den Ingenieurwissenschaften unter Verwendung innovativer Computersoftware. Neue Ergebnisse zum Thema DNA-Veränderungen bei embryonalen Stammzellen.
Ich wende mich wieder den eingeprägten Notizen auf dem Block zu.
MVF/18/08/GB Vert. Min. Terminkal. 08/02.
MVF bedeutet Motor Vehicle Fatality, Autounfall mit Todesfolge. Also starte ich eine neue Suchanfrage, diesmal in der Datenbank des CFC. Ich gebe MVF und das Datum 18/08 ein, also den 18. August im letzten Sommer. Prompt bekomme ich eine Akte angezeigt. Ein zwanzigjähriger Brite namens Damien Patten ist in Boston bei einem Unfall mit einem Taxi ums Leben gekommen. Die Autopsie wurde nicht von Fielding, sondern einem seiner Kollegen durchgeführt. Dem Bericht entnehme ich, dass Damien Patten Lance Corporal im 14th Signal Regiment und auf Urlaub war. Der Funker war nach Boston gekommen, um zu heiraten, als er bei dem Taxiunfall starb. Ich bekomme ein merkwürdiges Gefühl. Etwas macht klick .
Ich gebe nun die Suchbegriffe 8. Februar und GB Vert. Min. Terminkal. ein. Dabei lande ich auf dem offiziellen Blog des britischen Verteidigungsministeriums, das auch eine Liste der gestern in Afghanistan gefallenen Soldaten enthält. Ich gehe die Liste der Toten durch und halte Ausschau nach etwas, das mir bekannt vorkommt. Ein Lance Corporal vom 1st Battalion Coldstream Guards. Ein Lance Sergeant vom 1st Battalion Grenadier Guards. Ein Kingsman vom 1st Battalion Duke of Lancaster’s Regiment. Dann ist da noch ein Techniker von der Kampfmittelbeseitigung, der im Gebirge im nordwestlichen Afghanistan getötet wurde. In der Provinz Badghis. Wo auch mein Patient PFC Gabriel am Sonntag, dem 7. Februar, sterben musste.
Ich suche weiter, obwohl ich eine Information bereits besitze, nämlich, wie viele Nato-Soldaten am 7. Februar in Afghanistan gefallen sind. In Dover wissen wir diese Dinge. Es ist so alltäglich wie die Vorbereitung auf ein Unwetter, ein
deprimierender und bedrückender Bericht, der unser Leben bestimmt. Neun Tote, darunter die vier Amerikaner, die demselben Sprengsatz am Straßenrand zum Opfer gefallen sind, der PFC Gabriels Humvee in ein Flammenmeer verwandelt hat. Allerdings war das am 7., nicht am 8. Ich frage mich, ob der britische Soldat, der am 8. starb, vielleicht tags zuvor verwundet worden ist.
Ich überprüfe es und finde meinen Verdacht bestätigt. Geoffrey Miller, ein Sprengstofftechniker, dreiundzwanzig Jahre alt und jung verheiratet, wurde am frühen
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