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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Übergriffen oder Tobsuchtsanfällen der Toten fürchte.
    »Kay?«
    Mein Blick fällt auf Benton, der zwei Kaffeetassen balanciert und versucht, nichts zu verschütten. Weshalb hat Julia Gabriel wohl zuerst hier angerufen und nicht in Dover? Oder hat Fielding sie selbst kontaktiert? Ganz gleich, wer den ersten Schritt getan hat, er hatte keinen Grund, mit ihr zu sprechen. Dann fällt mir ein, dass Marino mir erzählt hat, PFC Gabriel sei der erste Kriegstote aus Worcester gewesen, weshalb die Reporter im CFC angerufen hätten, als läge die Leiche hier, nicht in Dover. Wegen der Verbindung nach Massachusetts seien die Telefone nicht stillgestanden. Vielleicht hat Fielding so davon erfahren. Allerdings kann ich nichts erkennen, was Fielding dazu berechtigt hätte, mit der Mutter des Getöteten zu telefonieren, selbst wenn sie irrtümlicherweise hier angerufen und die Auskunft erhalten hat, dass ihr Sohn in Dover ist. Aber das wusste sie doch sicher bereits. Wie hat Mrs. Gabriel nicht wissen können, dass ihr Sohn nach Dover geflogen worden war? Ich habe keine plausible Erklärung dafür, warum Fielding mit ihr gesprochen hat und was er ihr Hilfreiches hätte mitteilen können. Und vor allem: Wie konnte er es wagen?
    Er ist kein Militärangehöriger, sondern Zivilist und deshalb nicht befugt, in Einzelheiten zum Thema Kriegsopfer oder nationale Sicherheit herumzustochern oder Gespräche über Dinge zu führen, die eindeutig als geheim eingestuft werden. Medizinische Belange, die das Militär betreffen, gehen ihn nichts an. RUSI geht ihn nichts an. Die Wahlen in Großbritannien auch nicht. Die einzigen Dinge, mit denen Fielding sich beschäftigen sollte und die er massiv vernachlässigt hat, sind die große Verantwortung, die er hier am CFC trägt, und die Loyalität, die er mir verdammt noch mal schuldet.

    »Wie nett von dir«, sage ich geistesabwesend zu Benton. »Einen Kaffee kann ich jetzt gebrauchen.«
    »Wo warst du gerade? Abgesehen davon, dass du im Geiste offenbar einen Kampf ausgefochten hast. Du siehst aus, als könntest du jemandem den Hals umdrehen.«
    Er nähert sich dem Schreibtisch und mustert mich, wie er es immer tut, wenn er meine Gedanken lesen will, weil er meinen Worten nicht traut. Vielleicht weiß er auch, dass meine Antwort bestenfalls den Anfang der Geschichte abdecken wird, da ich, was den Rest angeht, noch im Dunkeln tappe.
    »Alles in Ordnung?« Er stellt den Kaffee auf den Schreibtisch und zieht sich einen Stuhl heran.
    »Nein.«
    »Was ist los?«
    »Ich glaube, dass ich gerade entdeckt habe, was es bedeutet, wenn etwas eine kritische Masse erreicht hat.«
    »Was ist passiert?«, hakt er nach.
    »Alles.«

12
    »Mach bitte die Tür zu.« Mir schießt durch den Kopf, dass ich mich allmählich wie Lucy verhalte. »Es ist so viel geschehen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.«
    Als Benton die Tür schließt, fällt mein Blick auf den schlichten Platinring an seinem linken Ringfinger. Manchmal überrascht es mich noch immer, dass wir verheiratet sind. Die schlichte Trauung fand im kleinen Kreis statt und war weniger eine Feier als eine Vereidigung, denn wir meinten es ernst, als wir »bis dass der Tod uns scheidet« sagten. Nach allem, was wir durchgemacht haben, war es eher ein Amtseid, eine Ordinierung oder vielleicht die Quintessenz unseres bisherigen Lebens. Und ich frage mich, ob er es je bereut hat. Ich würde ihm keinen Vorwurf daraus machen, wenn er darüber nachdenken würde, was er aufgeben musste, was er vermisst und warum sich sein Leben mit mir manchmal so kompliziert gestaltet.
    Er hat das Backsteinhaus aus Familienbesitz, eine elegante Villa aus dem neunzehnten Jahrhundert am Boston Common, verkauft. Einige der Behausungen, in denen wir seitdem gewohnt haben, haben ihm ganz sicher nicht zugesagt. Während er seinem Beruf als forensischer Psychologe treu geblieben ist, ging es bei mir in den letzten drei Jahren in dieser Hinsicht drunter und drüber. Zuerst musste ich meine Privatpraxis in Charleston, South Carolina, aufgeben. Dann wurde mein Institut in Watertown wegen Mittelkürzungen geschlossen. Ich habe in New York, Washington und Dover gearbeitet. Und jetzt bin ich hier am CFC.
    »Was zum Teufel ist in diesem Laden los?«, frage ich Benton, als ob er mir darauf eine Antwort geben könnte. Allmählich
steigen Panik und Verzweiflung in mir hoch. »Jack ist immer noch nicht aufgetaucht, und niemand weiß, wo er steckt.«
    »Hier ist er ganz offensichtlich nicht«,

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