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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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oder aufgehört hast, für deine Prüfungen zu büffeln?«
    Er hat recht. Ich bin unfair und überkritisch. Wessen Idee war es denn, dass wir uns, wenn wir praktisch keine Zeit füreinander haben, nicht mit beruflichen oder häuslichen Fragen aufhalten sollten, weil sonst außer diesen Dingen bald nichts mehr übrig wäre? Wie ein Krebsgeschwür. Ich bin rasch mit klugen medizinischen Vergleichen bei der Hand, obwohl Benton der Psychologe ist. Er hat die Profiling-Abteilung des FBI in Quantico geleitet. Er gehört dem Lehrstuhl für Psychiatrie in Harvard an. Doch ich habe die Weisheit gepachtet und stelle tiefsinnige Vergleiche von beruflichen Problemen, lästigen häuslichen Banalitäten und emotionalen Kränkungen mit Krebsgeschwüren, Narbengewebe und Nekrose an. Nun ist es mir peinlich, und ich komme mir oberflächlich vor.
    »Nein, ich habe bis zur Fahrt hierher gewisse Themen ausgespart, und jetzt erzähle ich dir mehr. So viel, wie ich eben kann«, sagt Benton mit stoischer Ruhe, als befänden wir uns in einer Therapiesitzung.
    Aber ich werde nicht lockerlassen, ehe ich nicht weiß, was ich wissen muss. Es ist nicht nur eine Frage der Fairness, es geht um mein Überleben. Ich bemerke, dass ich mir, was Benton betrifft, nicht mehr sicher bin. Er ist mein Mann, und trotzdem habe ich den vagen Eindruck, dass sich etwas verändert hat.

    Was ist es?
    »Ich habe angesprochen, dass ich Jacks Deutung von Mark Bishops Verletzungen für problematisch halte«, fügt Benton hinzu. Er hält sich bedeckt und legt sich jedes Wort zurecht, als würde jemand unsere Unterhaltung belauschen und ihren Inhalt an andere weitergeben. »Nun, ausgehend von dem, was du über die Hammerspuren auf dem Kopf des kleinen Jungen gesagt hast, liegt Jack schlicht und ergreifend völlig daneben, und das habe ich bereits vermutet, als er den Fall mit uns erörtert hat. Ich hatte den Verdacht, dass er lügt.«
    »Uns?«
    »Wie bereits erwähnt, ist mir einiges zu Ohren gekommen. Doch ich hatte, ehrlich gesagt, keinen ständigen Kontakt zu Jack.«
    »Was heißt ehrlich ? Im Gegensatz zu unehrlich , Benton?«
    »Ich bin immer ehrlich zu dir, Kay.«
    »Natürlich bist du das nicht, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um das zu vertiefen.«
    »Ich hatte ihn seit Monaten nicht gesehen, und mein Eindruck war … Nun, während der Treffen in der letzten Woche wurde es ziemlich offensichtlich, dass etwas mit ihm nicht stimmt«, fährt Benton fort. »Er hat sich äußerlich sehr verändert. Seine wilden Gedankensprünge waren nicht nachzuvollziehen. Er hat geredet wie ein Wasserfall und sich gebärdet, als wäre er der Allergrößte. Ich war ziemlich sicher, dass er uns nicht die Wahrheit gesagt hat und uns absichtlich auf eine falsche Fährte locken wollte.«
    »Wen meinst du mit uns ?« Allmählich dämmert mir etwas.
    »War er je in einer psychiatrischen Klinik oder in Behandlung? Wegen einer Stimmungsstörung? Hat er dir gegenüber so etwas erwähnt?«
    Benton verhält sich so wie damals, als er noch beim FBI war. Ich bemerke an ihm eine Autorität und ein Selbstbewusstsein,
das er seit Jahren nicht an den Tag gelegt hat. Eine Trittsicherheit, die er nach seiner Rückkehr aus dem Zeugenschutzprogramm vermissen ließ. Damals kam er sich ziellos und schwach vor, war nur noch ein Universitätsmitarbeiter, wie er häufig klagte. Entmannt , nannte er es. Das FBI frisst seine eigenen Kinder, und es hat mich verschlungen , sagte er. Das also ist mein Lohn, nachdem ich eine organisierte Verbrecherbande zur Strecke gebracht habe. Endlich habe ich mein Leben wieder, doch das, was davon übrig ist, gefällt mir nicht , erklärte er. Es ist nur noch eine Hülle. Ich bin eine Hülle. Ich liebe dich, aber bitte versteh, dass ich nicht der bin, der ich einmal war.
    »Hatte er je Wahnvorstellungen oder war gewalttätig?«, erkundigt sich Benton nun, und es spricht nicht nur der Arzt aus ihm. Ich fühle mich wie im Verhör. »Ich weiß, dass er aufbrausend sein kann, aber ich meine körperliche Gewalt, möglicherweise begleitet von geistigen Aussetzern. Von stunden-, tage- oder wochenlangem Verschwinden ohne Erinnerung. Symptome, wie wir sie bei Kriegsveteranen beobachten. Umherirren und Gedächtnislücken, ausgelöst durch ein schweres Trauma und häufig mit Simulantentum verwechselt. Die gleiche Sache, an der Johnny Donahue angeblich leidet, obwohl ich nicht sicher bin, wie viel davon dem armen Jungen suggeriert worden ist. Ich frage mich, wer den

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