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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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das ist es nicht, was du mir verschwiegen hast, denn ich bezweifle, dass du davon wusstest.«
    »Wer war sonst noch bei dem Treffen letzte Woche dabei?« Mir ist kalt, und ich wünschte, ich hätte meine Jacke mitgebracht. Ich bemerke, dass an Fieldings Tür ein Laborkittel hängt.
    »Es ist mir eingefallen, während wir in deinem Büro saßen«, spricht Benton weiter – der ehemalige FBI-Agent und Meister in der Kunst der Geheimhaltung, der sich nun verhält, als gehörte das Wort ehemalig der Vergangenheit an.
    Nein, es ist, als ermittelte er in einem Fall, anstatt nur beratend tätig zu werden. Er ist wieder beim FBI. Irgendwann schließt sich immer der Kreis.
    »Eine Affektstörung. Ich habe lange darüber nachgedacht und versucht, mich zu erinnern, wie er früher war. Überhaupt habe ich mich lange mit ihm beschäftigt.« Bentons Tonfall ist sachlich, als löste das, was er preisgibt oder mir vorwirft, nicht die Spur eines Gefühls in ihm aus. »Er war noch nie normal. Darauf will ich hinaus. In Jack schlummert eine schwere Störung. Deshalb wurde er ja aufs Internat geschickt. Um zu lernen, seine Aggressionen in den Griff zu bekommen. Mit sechs stach er einem anderen Kind mit einem Kugelschreiber in die Brust. Mit elf zog er seiner Mutter eins mit dem Rechen über den Kopf. Daraufhin wurde er in diese Ranch in der Nähe von Atlanta gesteckt, wo seine Wut nur noch zugenommen hat.«
    »Keine Ahnung, wie seine Jugend abgelaufen ist«, antworte ich. »Wenn man einen Arzt einstellt, ist es im Allgemeinen
nicht üblich, seine Vergangenheit ausführlich unter die Lupe zu nehmen. Als ich in meinem Beruf anfing, hätte niemand auch nur im Traum daran gedacht. Außerdem bin ich nicht beim FBI«, füge ich in vielsagendem Ton hinzu. »Ich wühle nicht im Leben anderer Menschen herum, um alles Mögliche über sie herauszufinden, und klappere dann die Nachbarn aus ihren Kindertagen ab. Ich befrage nicht ihre Lehrer. Und ich schnüffle auch nicht ihren Brieffreunden nach.«
    Ich stehe hinter Fieldings Schreibtisch auf.
    »Obwohl ich es vermutlich hätte tun sollen. Wahrscheinlich werde ich in Zukunft auch so verfahren. Aber ich habe ihn nie gedeckt und mich niemals in dieser Weise schützend vor ihn gestellt. Zugegeben, ich war zu nachsichtig mit ihm. Ich habe seine Fehler ausgebügelt oder es wenigstens versucht. Aber ich habe nie etwas Zwielichtiges vertuscht, falls du mir das vorwirfst. Nie im Leben würde ich mich unethisch verhalten. Weder für ihn noch für sonst jemanden.« Nicht mehr , ergänze ich im Geiste. Einmal habe ich es schließlich getan, aber niemals wieder – und noch nie für Jack Fielding. Auch damals geschah es nicht für mich selbst, sondern für das Wohl unseres Landes.
    Durchgefroren, erschöpft und voller Scham, durchquere ich das Büro und nehme Fieldings Kittel vom Haken an der geschlossenen Tür.
    »Ich weiß nicht, was ich dir deiner Ansicht nach verheimlicht haben soll, Benton. Ich habe nämlich keine Ahnung, auf was oder mit wem er sich eingelassen hat. Von irgendwelchen Wahnvorstellungen, geistigen Aussetzern und Gedächtnislücken ist mir ebenfalls nichts bekannt. In meiner Gegenwart hat so etwas nicht stattgefunden. Außerdem hat er nie mit mir über diese Dinge gesprochen, falls sie überhaupt zutreffen. «
    Ich ziehe den Kittel an. Er ist viel zu groß, und ich kann
den Anflug eines scharfen Eukalyptusgeruchs ausmachen. Wie Vicks oder Bengay-Schmerzpflaster.
    »Möglicherweise eine Stimmungsstörung mit einem Hang zu Narzissmus und aggressiven Ausfällen«, spricht Benton weiter, als hätte mein Einwand nie stattgefunden. »Oder es liegt an seinen verdammten leistungssteigernden Medikamenten. Er stellt das CFC nach außen nicht gut dar. Tut mir leid, aber das ist die Untertreibung des Jahrhunderts und Douglas und David nicht entgangen. Deshalb hat das CFC bereits Anfang November bei der Untersuchung der Entführung und Ermordung von Wally Jamison einen Fehlstart hingelegt. Du kannst dir sicher vorstellen, wie das bei Briggs und anderen angekommen ist. Jack steht kurz davor, den Laden an die Wand zu fahren. Und das öffnet Opportunisten Tür und Tor. Wie bereits gesagt, führt es zu der Einstellung, sich zu nehmen, was man kriegen kann.«
    Ich bleibe an einem Fenster stehen und blicke auf die dunkle, verschneite Straße hinunter, als könnte ich dort etwas entdecken, das mich daran erinnert, wer ich bin, das mir Kraft gibt und das mir Trost spendet.
    »Er hat eine Menge Schaden

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