Bateman, Colin
teilnahmslosen Vaters.
»Schaffen Sie die Kerle weg,
Robbo«, erklärte ich.
Offensichtlich gefiel ihm
meine Bemerkung nicht, und die Anspielung hatte er wohl auch nicht verstanden.
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Da ich mein ganzes Leben lang
verborgene Muster studiert habe, ist es für mich überhaupt kein Problem, sämtliche Trends
und Modeströmungen der Kriminalliteratur zu überblicken. In ihnen spiegelt
sich die Gesellschaft als solche wider. Das Genre ist gewaltsamer, pornografischer,
weniger literarisch geworden, und man hat es mit viel mehr Serienkillern zu
tun. Es lässt sich darüber streiten, ob die Kriminalliteratur die Gesellschaft
beeinflusst, oder ob es genau umgekehrt ist. Wahrscheinlich gab es immer schon
eine Menge Serienkiller, nur wurden sie seltener zum Gegenstand von Büchern.
Wie dem auch sei, eines ist über die Jahrzehnte hinweg in Krimis immer gleich
geblieben: Die Leserschaft erwartet, dass im vorletzten Kapitel das Verbrechen
aufgeklärt wird, wodurch im letzten Kapitel Raum bleibt für das Verknüpfen
loser Fäden und etwas scherzhaftes Geplänkel zwischen den Hauptfiguren, die
sich möglicherweise ineinander verliebt haben. So verlangen es zumindest die Konventionen. Gelegentlich gibt es auch ein
überraschendes Ende, bei dem sich eine der Figuren, die der Leser ins Herz
geschlossen hat, als der Killer entpuppt, der seiner gerechten Strafe entgehen
wird; oder es werden bisher verborgene Tatsachen enthüllt, die einen der beiden
Liebenden den begründeten Verdacht hegen lassen, dass sein oder ihr Leben in
äußerster Gefahr ist. Damit hat die Geschichte dann ein offenes Ende.
Normalerweise mag ich solche Bücher nicht und empfehle sie auch nicht an meine
Kunden weiter. Das Leben ist zu kurz, um Fragen unbeantwortet zu lassen.
Außerdem habe ich oft den Verdacht, dass ein solcher Kunstgriff keineswegs ein
Zeichen besonderer Cleverness ist, sondern dass dem Autor einfach kein gutes
Ende eingefallen ist. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist etwa Brendan Coyle.
Aber zumindest hier, im echten
Leben, gab es kein offenes Ende. Der SS-Hauptscharführer Koch wurde festgenommen
wegen seiner Beteiligung an den Morden im Fall der jüdischen Musikanten. Detective
Robinson entdeckte in der Folge weitere E-Mails, die bewiesen, dass
Smith/Radek/ Koch die treibende Kraft hinter diesen Verbrechen gewesen war.
Gleichzeitig wurden erneute und gründlichere forensische Untersuchungen der
Tatorte durchgeführt, die möglicherweise Spuren zutage fördern würden, die es
unnötig machten, vor Gericht auf meine durch sehr unkonventionelle Methoden
erworbenen Beweise zurückzugreifen. Zudem war ein Auslieferungsantrag
eingetroffen, in dem der falsche Mark Radek als Kriegsverbrecher aufgeführt
wurde. Das Autohaus Smith blieb noch eine Weile geöffnet, aber aufgrund des
Aufsehens, das der Fall erregt hatte, liefen die Geschäfte zunehmend
schlechter. Dass ein unbekannter (!) Graffiti-Künstler quer über ihr Schaufenster
gesprayt hatte: Diese Typen sind Scheißnazis!, kurbelte den Umsatz auch nicht gerade an. Wie
Detective Robinson mir vor kurzem bei einem Starbucks-Kaffee andeutete - ich
bin gerade wieder am Anfang der Speisekarte angelangt, es ist wunderbar -,
treten die Radek-Brüder inzwischen längst nicht mehr so bedrohlich auf.
Vielmehr beschuldigen sie sich jetzt gegenseitig. So kommt langsam alles ans
Tageslicht, und Robinson hofft, dass auch das Versteck von Rosemary Trevors
Leiche bald gefunden wird.
Was mich betrifft, so lag mir
wenig an dem ganzen Öffentlichkeitsrummel, sondern vor allem an der Befriedigung,
über das Böse triumphiert und außerdem den Beweis geliefert zu haben, dass
eine lebenslange Begeisterung für Kriminalliteratur durchaus praktische
Anwendung finden kann. Unnötig zu erwähnen, dass nun immer mehr Menschen mit
rätselhaften, ungelösten Fällen den Weg in meinen Laden fanden. Wie früher
akzeptierte ich nicht blindlings jeden Fall, sondern zog es vor, mir die spannendsten
und ungefährlichsten Rosinen herauszupicken. Ich habe nicht vor, mich je wieder
in einen Mordfall verwickeln zu lassen oder mich mit Nazis herumzuschlagen.
Schließlich gibt es genügend verschwundene Hosen, Hunde, Lampenschirme und
Fahrräder, um einen Amateurdetektiv wie mich über Jahrzehnte hinweg zu beschäftigen.
Und was Alison betrifft: Nach einer längeren Phase trotzigen Schmollens, weil
ich sie in meiner Darbietung - und es war tatsächlich eine Darbietung gewesen,
denn jede Pause war geprobt, jede Pointe
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