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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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ein
geräumiges Restaurant; um die Mittagszeit herrschte mehr Betrieb als am Abend;
die plüschige rote Möblierung hatte ein bisschen was von einem Puff. Wir
mussten eine ganze Weile auf einen Tisch warten. Als man uns schließlich einen
Platz angewiesen hatte, erklärte Alison, sie hätte einen Plan, weigerte sich
aber, mich einzuweihen. Stattdessen plauderten wir angeregt, während wir unauffällig
nach der Kellnerin ausspähten. Alison berichtete mir von einem ungewöhnlichen
Kunden, der an diesem Vormittag in ihren Laden gekommen war - ein absoluter
Gentleman, elegant gekleidet, charmant, mit guten Manieren, hatte sogar auf
ihre Empfehlungen gehört, außerdem sehr attraktiv.
    »Und was war daran so
außergewöhnlich?«
    »Alles«, lachte Alison. »Es
war so erfrischend.«
    »Hat er was gekauft?«
    »Nein, hat er nicht.«
    »Siehst du.«
    »Aber er hat mich gefragt, ob
ich mit ihm ausgehen will.«
    Das Blut gefror mir in den
Adern. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Mit Müh und Not brachte ich ein
heiseres »Echt?« hervor.
    »Natürlich hab ich abgelehnt,
trotzdem war es ein nettes Erlebnis. Findest du nicht auch, dass die
Umgangsformen der Menschen in den letzten Jahren immer mehr zu wünschen übrig
lassen?«
    »Ich glaube nicht, dass sie
jemals sonderlich gut waren.«
    Sie hatte einem charmanten,
höflichen, gut gekleideten, attraktiven Mann einen Korb gegeben - meinetwegen.
    »Die Leute stinken, sie sind
ignorant und verschlagen«, erklärte Alison.
    »Sie sind laut, arrogant und
voreingenommen.«
    »Sie stehlen, fluchen und ...«
Plötzlich wandte sie sich zur Seite, gerade als unsere Kellnerin vorbeikam.
»May ...«
    Der Kopf der Kellnerin schoss
zu uns herum.
    »... bringen Sie uns bitte die Karte?«
    »Ja... ja, natürlich.«
    Kurz darauf reichte sie jedem
von uns eine Karte. Und während sie wieder ging, grinste Alison mich über den
Tisch hinweg an. »Siehst du?«
    »Das beweist noch gar nichts«,
erklärte ich, auch wenn ich in Wahrheit schwer beeindruckt war.
    »Sie ist es.«
    Heute war das Haar der
Kellnerin zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, so dass ihre beiden Ohren gut
sichtbar waren. Keines davon stand ab. Niemand konnte sie mit einem
Fußballpokal oder einem anderen Silbergefäß mit Henkeln verwechseln. Alison
beobachtete sie aufmerksam und nickte fast unmerklich, als ihr offensichtlich
ein Licht aufging.
    »Dieser verdammte Hurensohn«, zischte Alison.
    »Wie bitte?«
    »Siehst du es nicht? Schau
nur, wozu er sie gezwungen hat.«
    »Ich kann dir nicht ganz folgen.«
    »Es springt einem doch
förmlich ins Auge. Schau dir nur an, wie sie den Kopf von einer Seite zur
anderen wirft. Die Art, wie sie ihr Haar zurückgebunden hat. Sie will ihre
Ohren zur Geltung bringen. Sie hat sie sich machen lassen. Sie wurden operativ
korrigiert. Dieser Mistkerl hat sie so verletzt, dass sie sich die Lauscher hat
anlegen lassen.«
    Ich studierte die Kellnerin,
die weiter ihre Arbeit verrichtete. »Bist du sicher?«
    »Klar doch. Das ist sie.
Gestern hatte sie die Ohren noch unter ihren Haaren verborgen, vermutlich waren
sie noch wund von der OP. Ich kenne ein paar Mädchen, die sich das haben machen
lassen. Es ist nicht sonderlich angenehm.«
    »Himmel. Schneiden sie die
Dinger ab, hocken sie eine Weile platt und nähen sie dann wieder an?«
    »Nein, du Blödmann. Sie hat
sie hinten aufschneiden und anlegen lassen, und heute ist die große
Enthüllung.«
    »Na ja, sie wirkt ganz
glücklich damit.«
    »Natürlich ist sie das. Aber
das ist nicht der Punkt. Er hat sie so verletzt, dass sie sich dazu gezwungen
fühlte.«
    »Da bin ich mir nicht so
sicher. In gewisser Weise hat er sie doch auch befreit. Er hat ihr das
Selbstvertrauen gegeben, diesen Schritt zu unternehmen und sich zu verändern.«
    »Und wenn dir meine Nase nicht
gefällt, dann reißt du so lange blöde Witze darüber, bis ich sie mir richten
lasse? Willst du mich durch verbale Misshandlung befreien?«
    »Ich mag deine Nase, so wie
sie ist. Daran muss man nichts richten lassen, nicht viel jedenfalls.«
    Sie kniff die Augen zusammen,
aber süß, nicht ernsthaft böse. »Menschen, die im Glashaus sitzen ...«
    »Möchten Sie bestellen?«
    May war zurück an unserem
Tisch und lächelte auf uns herab. »Ja, gerne«, erwiderte Alison.
    »Aber zuerst«, erklärte ich,
»möchte ich, dass Sie mir kurz Ihr Ohr leihen.«
     
    Auch wenn ich gelegentlich den
Chauvinisten heraushängen lasse, hatte ich mir Alisons kritische Bemerkung
doch zu Herzen

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