Batmans Schoenheit
nach Valentin ihre Frauen mit einem Blumenstrauß überraschen.
Endlich kam der Verkehr ganz zu erliegen. Woraus sich ein zauberischer Moment ergab, eine intime Gemütlichkeit. Autos waren bekanntermaßen Faradaysche Käfige, niemand also gefährdet. Und weil keiner mehr fuhr, verpuffte zudem die Möglichkeit, in eine Kollision zu geraten oder einen Fahrfehler zu begehen. Weder regnete es Frösche noch Weltraumschrott, nicht einmal Hagel kam herunter, sondern Tropfen, so schwer und schnell, daß sich um einen jeden Wagen, wie auch um alles andere eine flüssige Hülse bildete, eine Wasserhaut, wie man sie nur aus der Dusche oder der Waschanlage kennt. Dort freilich fehlt der Donner.
Höhepunkt war allerdings, als eben dieser Donner davonzog und nach und nach der Regen schwächer wurde, schließlich ganz erstarb und in Folge eine heilige, eine nie vernommene Ruhe einsetzte. Man könnte in Umwandlung eines Stifterschen Zitats sagen: Gott schwieg und alle hörten ihm zu.
Aber das geht natürlich nicht ewig lange. Der moderne Autoverkehr besteht nicht zuletzt darin, daß sich ein Stau auflöst. Die Fahrer starteten also wieder ihre Wagen und begannen, sich in der üblichen ruckweisen Art unterschiedlicher Anfahrtgeschwindigkeiten in Bewegung zu setzen.
Straka fuhr weiter auf der Floridsdorfer Hauptstraße entlang, solcherart in die Brünner Straße geratend, und damit in eine Gegend, die auch den meisten Einheimischen unbekannt ist. Denn während das noch weiter draußen gelegene Stammersdorf aufgrund seiner Heurigenlokale eine nicht zuletzt touristische Qualität besitzt, stellt das Geschwisterpaar Neujedlersdorf und Großjedlersdorf einen geradezu weißen Flecken auf der Wiener Landkarte dar, eine Terra incognita, die im Zuge ihrer Besiedlung nichts an Exotik und Entlegenheit eingebüßt zu haben scheint. Jedenfalls konnte sich Straka nicht daran erinnern, je in dieser Gegend ermittelt zu haben, sondern bloß an die periodische Nutzung der stegartigen Überfahrt von Floridsdorf nach Stammersdorf. Perioden in der Art sich wiederholender Eiszeiten.
Nun, das war übertrieben, denn natürlich war Straka im Laufe seiner langen Polizeikarriere an jedem Ort dieser Stadt einmal gewesen. Er hatte sie alle gesehen, die Meere und die Höhlen und die Schluchten, und eben auch die Wüsten. Aber im Nebel seiner selbst stehend, fiel es ihm nicht nur schwer, das eigene Antlitz zu erkennen, sondern auch so manche Erinnerung hatte sich verlaufen.
In der Straße, die nach dem Chemiker Andreas Elggiel benannt war − und die nicht »Straße«, sondern »Weg« hieß −, war er allerdings in der Tat noch nie gewesen. Ein Weg am Ende der Welt. Denn hinter diesem Weg begann die Ödnis. Daß wiederum jenseits der Ödnis das bekannte Stammersdorf lag, nun, das mochte ja stimmen. So, wie es stimmt, daß wenn man unser Sonnensystem verläßt, irgendwann der nächste Stern kommt. Aber was nützt das, wenn ein Astronaut nicht alt genug wird, um diesen Stern auch wirklich zu erreichen? Ja, am Ende von Großjedlersdorf stehend, war die Vorstellung, je nach Stammersdorf zu gelangen, bloße Theorie. Solche Raumschiffe hatte man noch gar nicht erfunden.
Aber nach Stammersdorf mußte Straka ja auch nicht. Er hielt am oberen Ende des Weges, dort, wo das letzte Haus linker Hand stand. Ein Bau aus den Siebzigerjahren, ein bißchen spießig und ein bißchen modern, wie ein Gesicht, das sich noch nicht hatte entscheiden können, alt zu werden oder jung zu bleiben. Jedenfalls drang Licht aus den Fenstern. Straka sah auf seine Uhr. Es war jetzt halb zehn, nicht unbedingt die Zeit, da man ohne guten Grund jemand stören durfte. Und daß die Ex-Frau des Mannes, der hinter diesen Fenstern lebte, selbigen beschuldigte … Na, da hätte die Polizei eine Menge Leute bei Nacht und Nebel aus ihren Betten holen müssen.
Straka gehörte zu den Menschen, die gerne auf Zeichen reagierten. Das war seine Art von Gläubigkeit. Wobei das, was für die zuvor angesprochenen diabolischen Möbel galt, ebenso auf die Zeichen anzuwenden war. Daß sie nämlich auch ohne Geister, ohne übernatürliche Einwirkungen bestanden, weil sie praktisch einen Teil der Natur darstellten. Etwas wie Infrarot oder UV-Strahlung, Kräfte also, die man nicht sah, unter gewissen Umständen aber doch. Manchmal genügte es, einfach aufzupassen. Und als Straka nun hinüber zu dem Haus lugte, da bemerkte er einen Schatten am Fenster. Keinen mysteriösen Schatten, vielmehr stand da einfach jemand
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