BattleTech 04: Das Schwert und der Dolch
einschneidenden Stricke bedeckt. Feind oder nicht, Henrik bedauerte ihn.
Der Mann war so mit Dreck und Schlamm verschmutzt, daß es kaum möglich war, sein Aussehen festzustellen. Seine Augen jedoch waren aufgerissen; sie wirkten wild und wirr.
»Folly!« stieß er aus. »Steins Torheit! Seht euch um? Seht ihr, was ich gesehen habe? Oder habe ich mir das alles nur eingebildet?«
Henrik schaltete den Scheinwerfer ein und ließ den Lichtkegel von einem Baum zum anderen wandern. Fast hätte er die Lampe fallen lassen, als er erkannte, was die Gestalten, die er für Lianenwucherungen gehalten hatte, tatsächlich bedeuteten.
Er hörte auch das Keuchen seiner Männer, als sie erkannten, daß sie von menschlichen Skelettresten umgeben waren. Henrik schauderte. Er war Soldat. Der Tod war weder ihm noch einem seiner Männer fremd. Aber das hier war kein Tod auf dem Schlachtfeld, das war etwas Fremdartiges, Gräßliches.
Hastig bauten die Männer eine Trage. Mochten sie auch auf festem Boden stehen, so kam doch keiner von ihnen auf die Idee, hier die Nacht zu verbringen. Nur ein Gedanke hatte Platz in ihren Köpfen, einschließlich dem Henriks.
Sie mußten schleunigst aus diesem Sumpf hinaus. Wer immer dies getan hatte, war intelligent. Und feindselig. Sie hatten keinerlei Interesse daran, ihm zu begegnen.
Der folgende Nachtmarsch war fürchterlich. In regelmäßigen Abständen pausierte Henrik, um sein Signalhorn zu betätigen und den übrigen Trupps mitzuteilen, daß ihre Suche beendet war. Jedes dieser Signale scheuchte die Bewohner der Sümpfe zu neuen Höchstleistungen auf: Der Lärm, der ihm folgte, war ohrenbetäubend.
Die Scheinwerfer halfen kaum. Statt dessen sorgten sie für schreckenerregende Schattenspiele und ließen Myriaden von Augen aufleuchten, die jeden Schritt mit bösen Blicken begleiteten.
Kurz vor Morgengrauen trafen Henrik und seine Männer auf den Rest ihrer Einheit, aber auch das konnte das Gefühl des Schreckens nicht vertreiben. Als es endlich hell wurde und die dunstige Wasseroberfläche, die schattigen Baumriesen und die rätselhaften Tiefen des Gebüschs zu sehen waren, atmeten sie wie ein Mann erlöst auf ... und hasteten noch schneller durch das widerliche Wasser und den noch widerlicheren Schlamm. Sie waren nicht überrascht, daß ihr Gefangener in Ohnmacht gesunken war. Der Gedanke daran, allein in diesem Sumpf zu bleiben, an einen Baum gefesselt, in der Gesellschaft längst Verstorbener, erfüllte Henrik mit Gefühlen, denen er wohlweislich nicht auf den Grund ging.
Als sie die Ebene erreichten, warf sich Sortek auf der
Bahre wild hin und her und machte es seinen Trägern schwer. Abwechselnd schrie und weinte er. Der Medpack schien nichts zu enthalten, was ihm Erleichterung verschaffen konnte. Als sie ihn endlich in ihr Fahrzeug verfrachtet hatten, kam es ihnen wie eine Erlösung vor.
Die Gruppe erreichte die Hauptbasis ohne Schwierigkeiten, und Henrik war dafür ehrlich dankbar. Diese Aufgabe war von Beginn an die schlimmste seiner Laufbahn gewesen. Er übergab den Gefangenen entsprechend der Dienstvorschrift an Ridzik und sah neugierig zu, als die MedTechs ihn abtransportierten.
»Es würde mich wundern, wenn er lange genug überlebte, um noch jemandem zu nützen«, stellte er murmelnd fest.
Ridzik drehte sich mit einem wütenden Blick um. »Er wird überleben, Henrik. Wir werden dafür sorgen. Sie haben gute Arbeit geleistet. Bereiten Sie Ihre Einheit zum Abtransport nach Redfield vor. Wir ziehen in den nächsten zwei Tagen ab.«
»Was ist mit ihm?« Henrik deutete mit einem Kopfnicken in die Richtung, in die Sortek verschwunden war. »Sir?«
»Er ist nicht transportfähig. Das sehe sogar ich. Er wird bei den letzten sein, die aufbrechen. Das gibt uns Zeit...« Ridziks Stimme verklang, und er schien sich auf etwas vor seinem inneren Auge zu konzentrieren.
»Keine Zeit für Spekulationen«, sagte er schroff. »Machen Sie sich fertig, Henrik! Und danke.«
Henrik dachte über die letzten Worte des Oberst nach. Die Gefangennahme dieses kranken Mannes mußte wichtig gewesen sein. Ridzik war nicht dafür bekannt, daß er seinen Untergebenen dankbar war.
17
»Kultur Dreizehn, Negativ. Wir beginnen mit dem Test
der Kultur Vierzehn.«
Die Stimme schien im Innern seines Schädels zu erklingen. Ardan wollte die Augen öffnen, um festzustellen, wer diese seltsamen Sätze sprach, aber er war nicht dazu in der Lage. Kein Muskel seines Körpers schien bereit zu gehorchen. Nicht einmal sein Wille
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