BattleTech 04: Das Schwert und der Dolch
auf. Jemand hatte gerade das Zimmer verlassen. Ganz entgegen meinen Erwartungen stellte ich fest, daß ich mich bewegen konnte, obwohl ich dazu vorher nicht in der Lage gewesen war. Ich hatte mich nicht einmal längere Zeit auf irgend etwas konzentrieren können. Aber plötzlich schien es mir sehr viel besser zu gehen. Ich glaubte, entkommen zu können, wenn das Glück mir hold blieb.«
Ardan machte eine Pause, während Karn ihm Wasser reichte. Dankbar zog er am Strohhalm.
»Ich ging den Gang hinab. In der einen Richtung hörte ich Stimmen, also nahm ich die andere. Verstehen Sie?«
Wieder nickte der Arzt.
»Am Ende des Korridors war eine Tür ... auf der Seite. Ich hatte schon andere ausprobiert, aber die führten in Zimmer mit Verwundeten. Diese Tür öffnete sich in einen dunklen Flur. Auf halbem Weg den Gang entlang waren auf beiden Seiten große Glastüren. Ich schaute durch eine davon und sah eine Art Labor.
Ich ging hinein. Ich weiß nicht genau, warum, aber ich ging hinein. In der Mitte stand ein Tisch ... ich erinnere mich, daß ich mich für einen Moment dagegenlehnen mußte, um Atem zu holen. Entlang einer Wand standen Glaskästen.« Er schauderte, und der Doktor legte ihm ermutigend die Hand auf die Schulter.
»Ich blickte in einen davon, und Hanse lag darin. Oder vielmehr jemand, der ganz genau wie Hanse aussah, nur ... nur anders. Sein Gesicht... er hatte ein Gesicht, das noch nie benutzt worden war. Verstehen Sie, was ich sagen will?«
»Sie haben ... Sie glauben, einen Doppelgänger oder ein Duplikat Ihres Prinzen des Hauses Davion gesehen zu haben? Interessant. Hochinteressant.«
»Die anderen Ärzte haben behauptet, es sei eine Halluzination gewesen. Sie redeten über einen Doppelgängerkomplex, was immer das sein mag. Aber ich habe ihn gesehen. Alles andere ist verschwommen, aber daran erinnere ich mich ganz genau. Sie glauben mir doch?« Er sah Karn besorgt an.
Der junge Arzt senkte den Kopf. »Ich glaube, daß Sie etwas gesehen haben. Ob Sie es richtig interpretiert haben, kann ich beim besten Willen nicht entscheiden. Aber irgend etwas muß dort gewesen sein, das eine derart tiefe Überzeugung in Ihnen aufkommen ließ. Aber jetzt müssen Sie sich ausruhen.«
Ardan packte seine Hand. »Warum bin ich für die Reise nicht in Kälteschlaf versetzt worden? So haben wir unsere Verwundeten bis jetzt immer nach Hause geholt.«
Karn lächelte. »Ihr physischer Zustand war so ungewöhnlich, daß die Behandlung bei Ihnen nicht anschlug. Eine dieser seltsamen Infektionen vermute ich. Aber die haben wir inzwischen unter Kontrolle. Keine Sorge, Sie brauchen nicht alle Zwischenstationen zu ertragen. Wenn Sie das nächstemal aufwachen, sind wir auf Tharkad.«
Ardan sank zurück auf das Schaumstoffkissen. »Danke, Doktor. Sie haben mir sehr geholfen. Ich mußte einfach jemand erzählen, was ich gesehen habe. Sie werden es doch weitergeben?«
»Selbstverständlich. Und jetzt schlafen Sie. Die Injektion, die ich Ihnen gegeben habe, sollte Sie beruhigen. Wenn Sie die Augen wieder öffnen, sind Sie im Palast von Tharkad City. Es ist zwar gerade Winter, so daß die Vergnügungsmöglichkeiten sich in Grenzen halten, aber zumindest ist es Tharkad.«
Und genauso war es. Noch bevor er die Augen öffnete, roch Ardan die Bergfichten, deren Duft die Luft der Hauptstadt des felsigen Planeten erfüllte. Selbst im Innern eines Gebäudes gelang es dem frischen Duft des Grüns, sich durch die Ventilation zu drängen und den antiseptischen Geruch der Klinik etwas aufzufrischen.
Er seufzte tief und herzlich. Jetzt wußte er, daß er sicher war. Die Steiner-Dynastie war zu einem treuen Verbündeten der Vereinigten Sonnen geworden ... und Hanses. Er lächelte. In ein paar Jahren würde Hanse Melissa heiraten, die Tochter des Archon Katrina Steiner. Mit fünfzehn war sie doch noch etwas zu jung für die Ehe mit einem so deutlich älteren Mann.
Er hatte sie bereits kennengelernt, ebenso wie ihre Mutter. Bei Hanses letztem Besuch auf Tharkad hatte Ardan die Gardeeinheit befehligt, die den Prinzen begleitete. Diese Aufgabe hatte ihm mehr Freude bereitet als die meisten anderen.
Dieser Planet war rauh, nicht so übermäßig üppig und bequem wie die Mehrzahl der bevölkerungsreichen Welten. Tharkad bot seinen Bewohnern noch Herausforderungen und Gefahren. Hanse hatte gewünscht, daß er diese Welt und ihre Bewohner kennenlernte, und dementsprechend hatte Ardan viel Zeit mit Bergsteigen verbracht, häufig in Begleitung von Männern
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