BattleTech 09: Ein Erbe für den Drachen
deren Ende er saß. Ein Lichtblitz aus den Bäumen signalisierte, daß sie den Park allein betreten hatte. Er nickte Fuhito Tetsuhara, der sich im Schatten der Baumstämme verborgen hatte, bestätigend zu, bevor er sich erhob, um die Frau zu begrüßen.
»Ohayo, Präzentor.«
»Guten Morgen, Prinz Theodore. Bitte stören Sie sich nicht an meinem Titel, und nennen Sie mich einfach Sharilar.«
»Sehr freundlich von Ihnen, mir eine derartige Vertraulichkeit zu gestatten.« Und dazu noch so umsichtig, sich Gedanken darüber zu machen, daß jemand deinen Titel hören könnte, dachte Theodore bei sich. »Gestatten Sie mir, Ihnen dasselbe Angebot zu machen. Derartige Vertraulichkeiten waren unter den Frontsoldaten ganz normal, und ich habe mich mit der Tugend vertraut gemacht, wenn nötig auf Formalitäten zu verzichten. Bitte nennen Sie mich Theodore.«
Er deutete auf die nächste einer ganzen Reihe von Betonbänken. Während sie sich setzte, umrundete er den kleinen Tisch und nahm auf der anderen Seite Platz. Die Tischplatte war mit einem schwarzroten Schachbrett aus Duraplast überzogen. Theodore holte eine flache Schachtel aus einer Tasche unter seinem Überwurf hervor. Als er sie öffnete, kamen zweiunddreißig Schachfiguren aus Elfenbein zum Vorschein, von denen jede mit einem kalligraphischen Symbol für ihren Namen bemalt war. »Eine Partie Shogi, während wir auf Ihre Herrin warten?«
Sharilar schüttelte den Kopf, und Theodore verstaute die Schachtel achselzuckend wieder unter seinem Mantel.
»Vielleicht wären Sie dann so freundlich, mich über das Anliegen Ihrer Herrin aufzuklären.«
Sharilar zappelte unruhig hin und her und sah sich wachsam um, aber Theodore interpretierte ihr Verhalten als reines Theater. Er konnte spüren, daß sie innerlich ganz und gar nicht nervös war. Warum will sie mich glauben machen, sie sei nervös ?
Plötzlich wünschte er sich den Rat seines alten Tetsuhara-Sensei. In bezug auf Menschen war er weise und konnte ihre wirklichen Gefühle oft ausmachen, bevor sie sich selbst darüber klar wurden. Die Kontrolle des Sensei über sein Hara wäre für ein so unbedeutendes Kunststück mehr als ausreichend gewesen. Aber die Stimme seines Sensei war seit der Einnahme von Cochus im Jahre 28 verstummt. Seine anderen Lehrer schwiegen ebenfalls.
Als Theodore sich bei Tomoe über ihre Abwesenheit beklagte, hatte sie ihm schlicht und einfach erklärt, er würde sie jetzt nicht mehr brauchen, er sei über sie hinausgewachsen. Wenn er stark war, glaubte er ihr. Aber an den meisten Tagen wußte er, daß das nicht stimmen konnte. Er fühlte sich nicht so sicher, wie es den Anschein hatte. Er war ratlos, brauchte Führung, hatte aber niemanden, auf den er sich stützen konnte, außer sich selbst.
Menschen passierten die Bankreihen und Spieltische. Mit sich selbst oder ihren Angelegenheiten beschäftigt, beachteten sie das Pärchen kaum, das sich über den Tisch hinweg leise unterhielt. Ein paar Minuten später setzte sich eine Frau neben ihn, die einen Kapuzenüberwurf trug, der Theodores ganz ähnlich war.
»Ninyu sagt, sie hat den Park betreten«, sagte Tomoe. Die Worte waren an Theodore gerichtet, aber ihre Augen fixierten Sharilar.
Der Präzentor erwiderte ihren Blick. Wölfinnen, dachte Theodore. Wölfinnen, die einander messen und ihre Stellung im Rudel abschätzen. Freund oder Feind? Dieser letzte Gedanke bezog sich auf die ComStar-Emissärinnen.
Eine Frau kam in Sicht. Sie war elegant, aber unauffällig gekleidet. Die gedämpften Farben waren dem trüben Morgen angemessen. Nichts an der Kleidung der Frau verriet ihre Stellung oder ihre Herkunft. Sie hätte eine gutsituierte Matrone sein können, die einen Morgenspaziergang durch den Park machte. Als sie näherkam, wurde Theodore klar, daß es sich bei ihr nur um Myndo Waterly, Primus von ComStar, handeln konnte.
Alle an dem heimlichen Treffen Beteiligten waren inkognito gekommen. Nur Theodore trug etwas, das ein Hinweis auf seine Identität hätte sein können. Sein Mantel wurde direkt über dem Solar Plexus von einer großen Scheibe zusammengehalten. Die Scheibe zeigte den Kuritadrachen, obwohl ein Beobachter auch annehmen konnte, es handele sich dabei lediglich um ein Abzeichen, mit dem der Träger seine innere Verbundenheit — ob vorgetäuscht oder nicht — mit dem Draconis-Kombinat zum Ausdruck bringen wolle. Tomoes ganz ähnliche Scheibe trug keinerlei Abzeichen.
Die Begrüßung war lebhaft und schnell beendet. Alle vier setzten sich,
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