BattleTech 26: Robert Thurston - Ich bin Jadefalke
Warum gehen wir nicht tagsüber rein? Sie dürfen uns nicht aufhalten.«
»Ah, aber sie sind vorsichtig, frapos? Einen Besuch um Mitternacht werden sie nicht erwarten.«
»Du hast recht. Einverstanden. Morgen nacht.«
Karlac verschwand bald darauf, aber Joanna beobachtete weiter die Techs, die unter großen Anstrengungen die zahlreichen Lieferungen ausluden.
Schließlich endete die Operation. Am Landungsschiff wurden die Rampen eingezogen und die Schotten laut knallend geschlossen. Die grellen Scheinwerfer gingen aus, und die Elementare verschwanden im Innern des schwarzen Landungsschiffs. Auf orangeroten Stichflammen hob das Schiff ab, ohne den geleerten Laderaum mit anderer Fracht wieder aufgefüllt zu haben. Das war ausgesprochen ungewöhnlich. Jede Art von Verschwendung war dem Wesen der Clans fremd, und ein Landungsschiffstart mit leerem Laderaum war eindeutig Verschwendung.
Joanna wollte sich gerade zu dem kalten harten Fleck Erde zurückbegeben, der ihr als Bett diente, als sie einen Mann aus einer der Seitentüren der Hauptlagerhalle kommen sah. Zunächst hielt sie ihn für einen Tech, weil er einen Standardoverall trug und ein Klemmbrett hielt. Er blieb im Schatten stehen und schien sich wachsam umzusehen, dann verschwand er wieder im Innern der Halle. Joanna wartete, ob er wieder herauskam, und das tat er, ohne Klemmbrett diesmal. Sie war völlig überrascht, als er geradewegs auf sie zukam, den Hang herauf.
Seine Schritte waren gemessen, aber selbstbewußt, mit einem jugendlichen Rhythmus im Schwung seiner Arme. Als er näher kam, erkannte sie, daß der Mann jetzt eine Kriegermontur trug. Das schwache, vom entfernten Mond Doggs reflektierte Licht zeichnete sein Profil nach, als er an ihr vorbeikam. Seines hocherhobenen Hauptes und geraden Rückens wegen konnte Joanna ihn zunächst nicht identifizieren.
Dann erkannte sie Bailly. MechKrieger Bailly mit jüngerem Gesicht und aufrechter Haltung. Wie war das möglich?
Joanna drehte sich, um ihm nachzusehen, während er den Hügel hinaufging. Die Bewegung verursachte ein leises Rascheln im Gras. Der Mann drehte sich um und sah zurück.
Sein haßerfüllter Blick vertrieb Joannas letzten Zweifel an seiner Identität. Das war ganz eindeutig MechKrieger Bailly, nicht so jung, wie sie zunächst gedacht hatte, aber auch nicht so alt, wie er sonst vorgab. Da er nichts Verdächtiges entdeckte, setzte er den Weg ins Solahma-Lager fort.
Joanna folgte ihm vorsichtig und schaffte es dank ihres Trainings in Flucht- und Ausweichtechniken, einer Entdeckung zu entgehen. Als Bailly die Hügelkuppe erreichte, schien sich sein Rücken auf geradezu magische Weise zu verkrümmen, und sein Gang wurde schlurfend und arthritisch. Bei den letzten Schritten ins Lager wirkte er wie ein Greis, dessen Alter nicht in Jahrzehnten, sondern in Jahrhunderten gemessen werden mußte. Jetzt wußte sie, daß er Theater spielte.
Den Rest der Nacht verbrachte Joanna an ihrem Schlafplatz, größtenteils wach und grübelnd. Wer war dieser Bailly? War er der WolfAgent, den sie für Kael Pershaw aufspüren sollte? Und welche Verbindung hatte er zu dem schwarzen Landungsschiff und dessen mysteriöser Ladung?
Sie mußte Antworten auf diese Fragen finden und auch, worum es bei diesen geheimen Lieferungen ging.
Nun, schien Kael Pershaws Stimme in ihrem Kopf aufzuklingen, das ist dein Job, frapos?
20
Solahma-Lager 34B, Dogg
Station Dogg, Jadefalken-Besatzungszone
3. November 3057
Am nächsten Tag war Bailly so greisenhaft alt von Aussehen und unangenehm von Charakter wie eh und je. Aber zum ersten Mal bemerkte Joanna, wie übertrieben seine Reaktionen schienen. Die Stimme war zu krächzend, die Bewegungen zu dramatisch, und er schien seine beißenden Kommentare zu sehr zu genießen.
Vielleicht würde Kael Pershaw sich freuen, daß sie den Spion nach zwei Monaten auf Dogg endlich gefunden hatte. Aber ihr war klar, daß es Pershaw weniger darum ging, wer hier spionierte, als um das Warum und Wozu.
Nachdem sie die geheimnisvollen Vorgänge rund um das schwarze Landungsschiff in der vergangenen Nacht mitbekommen hatte, war sie sicher, daß alle Intrigen und Spionagektivitäten, die hier stattfanden, mit den Lieferungen aus diesem schwarzen Schiff zu tun hatten. Und Baillys Anwesenheit dabei bedeutete, daß er ebenfalls beteiligt war.
Sie erwägte die Möglichkeit, daß es sich bei dem schwarzen Landungsschiff um ein Raumschiff des Wolfsclans handelte. Das hätte erklären können, warum es übermalt war und
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