BattleTech 28: Ritter ohne Furcht und Tadel
geschlafen und andere gesehen, die in den Mülltonnen nach Essensresten stöberten, bevor sie sich ebenfalls dort zur Ruhe legten. Aber für Dawn war das Übernachten im Freien nicht ungewohnt, und sie empfand es auch nicht als sonderlich unbequem. Was sie viel mehr schockierte, war, wie viele dieser Freigeburten weißhaarig, gekrümmt und faltig waren. Dawn hatte noch nicht allzuviele alte Menschen gesehen, denn die Clans hatten keine Verwendung für ihre Alten. Der Anblick von Menschen, die über das Alter hinaus überlebt hatten, in dem sie noch irgendeinen möglichen Nutzen erbringen konnten, widerte sie an. Für eine Clankriegerin, die darauf hoffte, im Kampf zu fallen, lange bevor sie zu alt zum kämpfen wurde, war das ein Schicksal schlimmer als der Tod.
Jabuka und andere Planeten in den Clan-Besatzungszonen unterschieden sich grundlegend von Galatea. Ihre Städte wurden von den Clans kontrolliert, die eroberte Bevölkerung lebte entsprechend den Clangesetzen und -Traditionen. Es war nur schwer zu fassen, aber allmählich begann Dawn zu verstehen, daß das Leben in der Inneren Sphäre nicht von Kasten reguliert wurde. Unter den Clans war eine alltägliche Begegnung und Konversation zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Bevölkerungsschichten unbekannt. Solche Treffen waren bestenfalls selten und kamen in aller Regel nur entsprechend den Wünschen und Bedürfnissen der herrschenden Krieger zustande.
Das war eine wichtige Lektion für Dawn. Bis jetzt hatte sie es vermieden, mit anderen zu reden. Ihr Aussehen fiel wahrscheinlich aus dem Rahmen, aber die Straßen Galaports waren voll von Söldnern, die Uniformen und Halbuniformen jedweder Art und Zusammenstellung trugen. Aber sie wußte, ihre Sprache würde sie sofort verraten. Dawn konnte nicht sicher sein, wie man auf sie reagieren würde. Immerhin stammte sie aus dem Lager des Feindes.
An diesem Morgen wanderte Dawn eine Straße hinab, die sie vorher noch nicht erforscht hatte. Ringsum sah sie Leute Auslagen, Verkaufsstände und Zelte aufbauen, wahrscheinlich für einen Markttag. Junge Arbeiter mit Kopftüchern und nacktem Oberkörper trugen kistenweise frisches Gemüse, Obst, Gewürze und andere Nahrungsmittel heran, die sie nicht identifizieren konnte. Andere luden Kleiderständer aus Lastwagen, und weiter die Straße hinauf sah sie wieder andere riesige Bleche mit frischen Brotlaiben tragen. Der Duft des frischgebackenen, warmen Brots lockte selbst auf diese Entfernung.
Eine rauhe Stimme unterbrach abrupt ihre Gedanken an Nahrung.
»Na, Mädchen«, fragte die Männerstimme, »wie gefällt dir Galaport?«
Dawn wirbelte herum und schätzte die mögliche Bedrohung ein. An diesem Mann in hohen Lederstiefeln und weichen Hosen, der so übergewichtig war, daß sein Bauch über den Gürtel hing, konnte sie allerdings keine Gefahr ausmachen. Er war beinahe kahl, abgesehen von ein paar Strähnen grauen Haars, die in einem lächerlichen Versuch, eine nicht vorhandene Haarpracht vorzutäuschen, quer über die nackte Kopfhaut drapiert waren. Als er grinste, zuckte Dawn beim Anblick seiner gelben Zähne zusammen.
Der Mann lachte. »Du bist Clannerin, nicht wahr?« Seine Blicke wanderten von ihrem kurzgeschorenen Haar hinunter zu ihrer Lederjacke, an die Stelle, an der ihr Einheitsabzeichen gesessen hatte, bevor es abgerissen worden war, weiter hinab zu ihrer hellbraunen Sprunghose und den Lederstiefeln.
»Ich gehöre nicht länger den Clans an«, erwiderte sie knapp. »Vielleicht solltest du gehen, frapos?« Sie hatte kein Interesse daran, mit dieser Freigeburt zu reden.
»Ach ja?« Er streckte die Hand aus. »Na, ich bin Edel Mordoc.«
Dawn blickte auf die Hand und fragte sich, was er von ihr wollte. »Ich bin Dawn.«
Mordoc ließ die Hand sinken. »Dawn wer?«
»Mein Name ist Dawn.«
»Hab ich gehört. Wie heißt du weiter?«
»Ich habe keinen… Zweitnamen«, antwortete sie. Bei den Clans wurde man nur mit einem Namen geboren. Einen zweiten Namen, den Blutnamen, zu erringen, war äußerst schwierig und eine Ehre, die nur den besten Kriegern zuteil wurde. Dawn hatte schon an mehreren Blutrechtstests teilgenommen und beim letzten Versuch nur knapp verloren. Sie war zuversichtlich gewesen, es beim nächstenmal zu schaffen, aber jetzt würde es niemals dazu kommen. Das Urteil hatte ihr Leben bei den Clans beendet.
»Komm schon«, drängte Mordoc. »Jeder Mensch hat einen Familiennamen.«
»Neg, ich besitze keinen.«
Mordoc musterte sie noch einmal von Kopf bis Fuß,
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