BattleTech 35: Höhenflug
Beschreibung paßt auf mich.
Jim zuckte die dürren Schultern. »Diesen Leuten fehlt eine fundamentale Einsicht. Sie verstehen nicht, daß jeder von Zeit zu Zeit einen Augenblick der Schwäche erlebt. Jeder hat seine Augenblicke des Selbstzweifels, Momente, in denen ihm alles zuviel scheint.« Er schnaubte leise. »Jeder, der behauptet, so etwas nicht zu kennen, ist entweder ein Lügner oder ein Psychopath... möglicherweise auch beides.«
Er schüttelte den Kopf und versuchte, die trockenen Lippen mit der Zunge zu befeuchten. Sam beugte sich vor und reichte ihm den Käfersaft. Er nahm einen Schluck und nickte dankend. »Manchmal kommt mir das Eheversprechen in den Sinn«, sprach er weiter, mit ruhiger, nach innen gerichteter Stimme. »Das altmodische, nicht das neuzeitliche ›Sagwas-immer-dir-gerade-in-den-Sinn-Kommt‹. Nein, das alte, von wegen ›in Krankheit und Gesundheit, in Reichtum und Armut‹.« Er lächelte. »Vielleicht sollte man noch ›in starken und in schwachen Zeiten‹ hinzusetzen. Ist es denn realistisch zu erwarten, daß ein Partner, irgendein Partner, in der Ehe - oder in irgendeiner Beziehung - immer stark ist? Ich glaube nicht. Ich würde sagen, das Beste, worauf man hoffen kann, ist, daß einer der Partner stark sein kann, wenn es Schwierigkeiten gibt, und nicht immer derselbe.« Er grinste. »Wie bei Flügelmännern: Einer achtet auf den anderen. Die Partnerschaft hält, und das Team kommt durch.« Sein Lächeln verblaßte. »Eine Menge Leute kapiert das nicht. Oder erst, wenn es zu spät ist.« Er wandte den Blick ab.
Sam nickte langsam. Du redest von dir selbst, nicht wahr, Pop-Pop? Ich wünschte, ich hätte deine Frau Mary gekannt.
Jim stieß einen tiefen Seufzer aus, dann kehrte sein schelmisches Lächeln zurück. »So«, sagte er. »Laß mich die Frage wiederholen: Wann gedenkst du eigentlich zu heiraten, Samantha Rose?«
Sie sah den alten Mann an. Liebevoll. Und mit Respekt. Du willst mir sagen, daß ich noch etwas zu lernen habe, nicht wahr? Etwas, worüber ich mir
Gedanken machen sollte. Sie legte die Hände in den Schoß und klapperte züchtig mit den Wimpern. »Ich warte darauf, daß du mich fragst, Pop-Pop.«
Samantha rutschte auf dem Lehnstuhl herum, um eine bequemere Stellung zu finden. Sie wollte schlafen
- sich vergessen, selbst wenn es nur für wenige Minuten war - aber es gelang nicht.
Neben ihr schnarchte Pop-Pop friedlich in seinem Stahlbett. Die Vorhänge waren zugezogen, aber der Nachmittagssonnenschein drang an den Rändern vorbei herein, so daß sie sein Gesicht erkennen konnte, entspannt und friedlich wie das eines Kindes. Nur im Schlaf kann er den Schmerzen entkommen, dachte sie traurig.
Die Schmerzen durch den Krebs, der ihn von innen heraus zerfraß, mußten furchtbar sein. Sie hatte gewußt, daß er Schmerzen litt, aber nicht, wie schlimm sie waren, bis er sie gebeten hatte, ihm vier seiner Tabletten vom Nachttisch zu geben - »um mir beim Einschlafen zu helfen«, hatte er gesagt. Als sie die kindergesicherte Verschlußkappe öffnete Was für ein Unsinn, einem alten Mann Medizin mit so einem Verschluß zu geben! - hatte sie heimlich einen Blick auf das Etikett geworfen. Der Name des Präparats war ihr unbekannt, aber es enthielt 65 Milligramm Kodein. Tylenol 3 hat nur 30 mg Kodein, oder? Das ist nicht einmal die Hälfte, und zwei Tylenol 3 reichen aus, um mich benommen zu machen.
Ich wünschte, ich könnte etwas für ihn tun. Es war nicht so sehr der bevorstehende Verlust - oder es war zumindest nicht nur der Verlust. Was ihr wirklich zu schaffen machte, war die Hilflosigkeit. Bald wird er nicht mehr da sein, und das Beste, was ich tun kann, um zu helfen, ist, ihm die Tabletten zu reichen, die ihm das Sterben erleichtern. Das ist nicht fair.
Ja, klar. Was hat Ben Katt noch gesagt, als ich ihm gegenüber dieses Argument angebracht habe? erinnerte sie sich mit einem verbitterten Schnauben. Wer hat behauptet, das Leben sei fair? Sam fühlte ein Kribbeln im Nacken, als beobachte sie jemand.
Pop-Pops Augen waren offen, und sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Gut geschlafen?«
Er zuckte die Achseln, antwortete aber nicht gleich. Seine Züge verkrampften sich einen Augenblick, bevor er sie unter Kontrolle bringen konnte. Sein Atem stockte vor Schmerzen. Sie war augenblicklich auf den Beinen und griff nach dem Schmerzmittel, aber er winkte ab. »Es geht schon.« Seine Stimme verriet die Lüge, aber sie respektierte seinen
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