BattleTech 35: Höhenflug
mit ihrem Großvater darüber unterhalten hatte, und er hatte nicht widersprochen. Also würde sie dort anfangen.
Sie ging die Treppe bis zum ersten Absatz hinauf und sah sich vor, den Kopf unterhalb des Fensters zu halten. Vorsichtig sah sie hinaus in den Garten. Da ist er. Die blaue Uniform des Wachmanns war vor dem Gebüsch und dem Wald deutlich auszumachen. Sie wartete, bis er um die Ecke hinters Haus ging und nicht mehr zu sehen war. Dann ging sie weiter.
Die Tür zu Pop-Pops Schlafzimmer am Ende des Flurs im ersten Stock war geschlossen. Sam fühlte Erleichterung. Schon der Blick in das Zimmer hätte genügt, den Schmerz wieder zu wecken, den sie noch nicht verarbeitet hatte. Die Tür zu seiner Bibliothek, dem ersten Raum auf der rechten Seite, stand einen Spalt auf. Leise drückte Sam sie auf und trat ein.
Plötzlich war ihre Kehle wie zugeschnürt, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Er ist immer noch hier. Der Gedanke drängte sich ihr auf. Jedenfalls ein Teil von ihm. Er ist noch hier und wird immer hier bleiben. Sie schloß die Tür hinter sich und lehnte sich an, während sie sich umsah.
Die Jalousie am einzigen Fenster in der gegenüberliegenden Wand war heruntergelassen. Aber es war hell genug, um die vertraute Einrichtung zu erkennen. Unter dem Fenster stand Pop-Pops kleiner Schreibtisch. In einer Ecke stand ein zwei Jahre alter Macintosh unter einer Plastikhülle. Sam lächelte. Ihr Großvater hatte den Computer auf ihr Drängen hin angeschafft, aber sie war ziemlich sicher, daß er ihn nie ernsthaft benutzt hatte. Die Wand rechts von ihr wurde bis zur Decke von einem bis auf den letzten Zentimeter gefüllten Bücherregal eingenommen. Andere Bücher, die keinen Platz mehr auf den Regalbrettern gefunden hatten, stapelten sich in den Ekken. Die linke Wand hing voller Fotografien - gerahmten Erinnerungen, farbigen und schwarzweißen Momentaufnahmen aus dem Leben des Jim Dooley, Sr. Sie zog den hohen ledernen Bürosessel unter dem Schreibtisch vor und setzte sich. Mit dem Handrükken wischte sie die Tränen ab.
Pop-Pop liebte es, hier zu sitzen, erinnerte sie sich. Er fand es hier gemütlich. Ihre Gedanken drifteten zurück zu einem ihrer ersten Besuche, als sie im Gästezimmer neben der Bibliothek übernachtet hatte. Mitten in der Nacht - es mußte so etwa 3 Uhr morgens gewesen sein - war sie aufgestanden, um sich ein Glas Wasser zu holen. Im dunklen Flur hatte sie den gelben Lichtschein der Lampe unter der Tür zur Bibliothek gesehen. Neugierig hatte sie die gutgeölte Tür leise aufgestoßen. Ihr Großvater hatte in einem abgegriffenen Morgenmantel in diesem Chefsessel gesessen und war so in ein Buch vertieft gewesen, daß er sie überhaupt nicht bemerkt hatte. Selbst jetzt noch, Jahre später, sah Sam das Lächeln vollkommener Zufriedenheit auf seinem Gesicht vor sich.
Mit einiger Anstrengung verdrängte sie die Erinnerungen. Ich bin aus einem bestimmten Grund hier, rief sie sich ins Gedächtnis.
Der Schreibtisch war der geeignetste Ausgangspunkt für ihre Suche. Sie öffnete nacheinander alle drei Schubladen. In der ersten fand sie nur den üblichen Bürobedarf: Bleistifte, Kugelschreiber, einen Hefter, drei Blocks gelbe Post-it-Zettel. In der zweiten lagen zwei grüne Kunstlederordner. Sie holte sie heraus, löste die Velcro-Verschlüsse und öffnete sie auf ihrem Schoß. Versicherungspolicen, erkannte sie sofort: Lebensversicherung, Hausrat und eine dritte, die wohl den Yellow Bird betraf. Ihr war unbehaglich. Ich will an die Lebensversicherung im Augenblick nicht einmal denken, geschweige denn die Police lesen. Sie schloß die Ordner und legte sie zurück. Die unterste Schublade enthielt ein Notizbuch mit Spiralbindung ohne Aufschrift. Bingo, dachte sie, als sie es hervorzog, und schlug die erste Seite auf.
Sie sah mit einem Blick, daß das hier nur das Logbuch des Yellow Bird war. Details der Betriebsstunden, Wartungsarbeiten, Treibstoffkosten und so weiter. Sie blätterte es schnell durch. Nichts, was auch nur entfernt an Memoiren erinnerte. Mit einem Stirnrunzeln legte sie das Logbuch zurück und stieß den Sessel weg. Wo konnten die Memoiren sonst sein? Sie drehte den Sessel langsam und suchte das Zimmer ab. Es enthielt keine Aktenschränke oder ähnlich offensichtliche Aufbewahrungsorte. Also im Regal. Sie stand auf und trat hinüber an die Regalwand. Am besten methodisch, dachte sie. An einem Ende anfangen und die einzelnen Bretter abarbeiten.
Sie hatte das erste Regalbrett noch nicht
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