BattleTech 35: Höhenflug
abgesucht, als sie bereits lächelte - möglicherweise etwas traurig. Ich hatte seinen Lesegeschmack ganz vergessen, sinnierte sie. So schnell vergessen. Jim Dooley war immer eine Leseratte gewesen. Aber im Gegensatz zu anderen begeisterten Lesern, die sie kannte, hatte er so ziemlich alles verschlungen, von Detektivgeschichten über Biographien und militärhistorische Werke bis zu philosophischen Traktaten. Und er wollte seine Bücher besitzen, statt sie aus einer Bücherei zu leihen. Er fand Gefallen an dem Gedanken, daß sie sein waren.
Das muß man sich mal ansehen. Ihr Blick ging noch einmal an dem Regalbrett entlang. Ein einzelner Hardcoverband von Lord of the Rings, daneben Gray's Anatomy, daneben Attenboroughs Life on Earth, daneben The Complete Shakespeare, daneben The Seven Minutes von Irving Wallace. Sie erinnerte sich, daß er ihr einmal erklärt hatte, er habe so viele Bücher, daß die einzig logische Vorgehensweise darin bestand, sie nicht nach Titel, Thema oder Autor, sondern nach Größe zu sortieren, um Platz zu sparen.
Sam seufzte. Wenn sie die ganze Regalwand absuchen mußte, würde das einige Zeit dauern. Aber welche andere Möglichkeit hatte sie schon? Sie beugte sich vor, um das nächste Brett zu betrachten, und lehnte sich dabei mit der Hüfte an den dunklen Eichenrahmen.
Als sie sich anlehnte, schien das Regal etwas nachzugeben, und sie hörte ein leises, aber hartes metallisches Klicken. Instinktiv sprang sie zurück und hob die Arme über den Kopf. Was für eine idiotische Art zu sterben: ein Bücherregal umzuwerfen und von den Werken der Weltliteratur erschlagen zu werden.
Nichts fiel herab. Nichts brach zusammen. Verwirrt trat sie näher, um das Regal zu untersuchen.
Sie bemerkte sofort, daß sich etwas verändert hatte. Der Rand des einen Meter breiten Regalabschnitts, an den sie sich angelehnt hatte, stand gute fünf Zentimeter vor. Das sah vorher anders aus, das weiß ich genau, dachte sie. Sie zögerte, dann streckte sie die Hand aus und drückte gegen den vorstehenden Rahmen. Das Holz gab etwas nach, dann spürte sie Widerstand. Wie von einer Feder, fand sie. Sie drückte fester, bis der vorstehende Rand wieder auf selber Höhe mit dem Rest der Regalwand war. Als die Bretter sich trafen, erklang ein weiteres Klicken, und der Gegendruck verschwand. Sie trat einen Schritt zurück, wußte aber bereits, was sie sehen würde. Das Regal bot wieder eine Einheit. Selbst wenn man wußte, wonach man Ausschau halten mußte, war kein Unterschied zwischen diesem und irgendeinem anderen Abschnitt zu erkennen. Hinter diesem Regalabschnitt verbirgt sich... was? Eine Art Geheimfach? Die Art Versteck, in dem man private Dokumente aufbewahrt - so etwas wie seine Memoiren?
Sie drückte noch einmal auf dieselbe Stelle. Diesmal wußte sie, was sie zu erwarten hatte: Sie beobachtete die Bewegung in der Regalwand und sah ihre Vermutung bestätigt. Der Teil, der sich verschob, war etwa einen Meter breit und zwei Meter hoch. Ungefähr von der Größe einer Tür.
Der vorstehende Teil des Holzrahmens bot einen adäquaten Griff. Vorsichtig zog sie daran. Zuerst spürte sie Widerstand und fragte sich, ob es noch einen Riegel oder ein Schloß gab, das sie öffnen mußte. Aber dann überwand ihr Zerren die Trägheit des vollen Bücherregals, und der Regalabschnitt schwang langsam und lautlos auf, wie eine Tür. Sie hielt an, als die Öffnung gute sechzig Zentimeter breit war. Hinter der Tür war es dunkel. Sie konnte nicht erkennen, wie weit hinein es ging, aber irgendwie fühlte sie, daß es sich um einen recht großen Raum handelte. Ein ganzes verstecktes Zimmer.
Das durch die heruntergelassene Jalousie einfallende Dämmerlicht genügte, um sich in Pop-Pops Bibliothek zurechtzufinden, aber es reichte nicht bis in diesen neuen Bereich hinein. Wo war der Lichtschalter? Es mußte einen geben. Vielleicht hinter der Tür.
Eine Weile zögerte sie. Der Griff ins Dunkel, in den geheimnisvollen schwarzen Raum auf der Suche nach dem Lichtschalter hatte etwas... nicht wirklich Beängstigendes , aber schon etwas Beunruhigendes. Dann lachte sie ängstlich, von ihrer eigenen Regung peinlich berührt. Zu viele Horrorfilme gesehen, schalt sie sich selbst. »Nein, Sam, geh nicht so ganz allein in den dunklen Keller...« Sie schob die Hand an der Wand entlang in die Dunkelheit und tastete nach dem Schalter.
In dem Augenblick, in dem ihre Hand in den Raum eindrang, flammte ein Licht auf und vertrieb die Dunkelheit. Sie
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