BattleTech 35: Höhenflug
beherrschte ihr letzter Eindruck aus dem geheimen Schrein ihre Gedanken. Sie sprintete stumm zurück an die Stelle, an der sie Grendel abgestellt hatte, aber während des ganzen Wegs gelang es ihr nicht, die Erinnerung an das wissende Lächeln auf dem gerahmten Porträt Amy Langlands aus ihren Gedanken zu vertreiben.
Kaum zurück auf dem Highway, senkte Samantha das Fenster, um sich von der kalten Nachtluft den Geist durchfegen zu lassen. Schon begannen Zweifel an der Sicherheit zu nagen, die sie noch Minuten zuvor gespürt hatte. Vielleicht habe ich mich getäuscht. Es könnte jemand gewesen sein, der Amy Langland nur ähnlich sieht...
Aber dann riß sie sich zusammen. »Mach dir nichts vor«, herrschte sie sich an. Der Klang ihrer Stimme war beinahe so erfrischend wie der kalte Windzug. »Ich weiß, was ich gesehen habe. Es war Amy.«
Auf gewisse Weise machte es Sinn. Sie wußte immer noch nicht, was, zur Hölle, da vorging. Die großen Fragen - beispielsweise: Was ist die VGL? - blieben unbeantwortet. Aber im Hinblick auf die interne Schlüssigkeit des Ganzen ergab die Anwesenheit von Amys Bild in jenem Raum einen perversen Sinn.
Gehen wir es mal der Reihe nach durch, dachte Sam und versuchte, sich zu beruhigen und ihre Gedanken unter Kontrolle zu halten. Nehmen wir an, daß Pop-Pop und Sid Warner beide Mitglieder dieser VGL sind, was immer das ist. Pop-Pop wollte, daß ich sein Tagebuch lese, weil es alles erklärt. Warner wollte das Tagebuch wahrscheinlich - genau wie Pop-Pops Asche - für dieses Museum oder den Schrein der VGL. Es machte auch mehr Sinn, daß Pop-Pop seine kostbaren Fotos dem Schrein vermacht hatte statt der belanglosen Attrappe des Rogers Museum of Flight. Plötzlich ergibt alles einen Sinn.
Und was war mit Amy Langland? Hier waren die Verbindungen weit unsicherer, aber... Nehmen wir einmal an, Amelia Earhart war auch Teil dieser VGL. Das erklärt ihr Bild in Pop-Pops innerer Bibliothek. Und es paßt dazu, daß Fred Noonan ein VGL-Mitglied gewesen zu sein scheint. Da Earhart eine der Gründerinnen der 99er war, könnte das nicht heißen, daß die 99er selbst - oder zumindest ein Teil von ihnen - eine Art ›weibliches Hilfskorps‹ der VGL waren, es vielleicht immer noch sind? Offensichtlich hatten nicht alle 99er eine Verbindung zur VGL. Niemand war je damit an Samantha herangetreten, und sie war sich sicher, daß auch Maggie nichts damit zu tun hatte.
Aber falls Langland in Verbindung mit der VGL stand, erklärte das eine Reihe interessanter Ungereimtheiten. Irgendwas an Amys erstem Anruf ist mir die ganze Zeit aufgestoßen, erinnerte Sam sich. Ich habe nur nicht weiter darüber nachgedacht. Vielleicht hatte Maggie Amy nicht erzählt, daß Sam etwas über die Leute zu erfahren versuchte, die ihren Großvater besucht hatten. Vielleicht hatte Langland aus anderer Quelle erfahren - zum Beispiel von ihren VGL-Kollegen -, daß Sam ihre Nase in Dinge steckte, die sie nichts angingen. Das würde Amys Zögern - ihre Verwirrung - erklären, als ich sie gefragt habe, ob Mags es ihr verraten hatte. Sie wußte nicht, daß Mags den Dschungeltelegrafen befragte, weil Maggie es ihr gegenüber nicht einmal beiläufig erwähnt hatte.
Sam knirschte mit den Zähnen. Also hatte sich Langland nur deshalb mit Sam in Verbindung gesetzt, um sie von der Spur der VGL abzubringen. Sie hat mich zum Narren gehalten! Ihre Knöchel auf Grendels Lenkrad wurden weiß, und ihr Blick zuckte zu den blaugrünen Leuchtziffern der Fahrzeuguhr. Es wird Zeit, Amy Langland einen Besuch abzustatten, dachte sie kalt. Und das sehr bald.
Die Uhr auf Grendels Armaturenbrett zeigte 07:45. Von ihrem Standort in Griffith Park aus hatte Sam den rosaroten Morgen über die Betonwüste des Los Angeles Basin schwappen sehen. Ihre Augen schmerzten, ihre Muskeln protestierten gegen die Stunden auf dem Fahrersitz.
Sie war um drei Uhr morgens an ihrem Beobachtungsposten in der Nähe des Observatoriums eingetroffen. Stundenlang hatte sie hier gesessen, über die Lichter der nächtlichen Stadt hinausgeschaut und nachgedacht. Ihr Verstand schien mit Turbogeschwindigkeit zu arbeiten, als habe jemand alle Bremsen der Maschine gelöst. Obwohl sie körperlich erschöpft war, hatte sie gewußt, daß sie keinen Schlaf gefunden hätte, wäre sie die fünfundvierzig Minuten nach Venice weitergefahren. Ihr Geist war aufgeladen gewesen, so aufgedreht wie nach drei Kannen Kaffee auf nüchternen Magen. Sie hatte auf den unter ihr ausgebreiteten Distrikt
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