BattleTech 36: Blindpartie
Hofgarde SunTzu Liao nach versteckten Waffen absuchte, bevor er zu ihr vorgelassen wurde. Von ihrem Sitzplatz auf einer nahen Bank aus bewunderte Emma die stoische Ruhe, mit der der junge Kanzler die Prozedur über sich ergehen ließ, obwohl er sie ohne Zweifel als Impertinenz betrachtete. Er sah nicht einmal hinüber zu ihrer Tochter Naomi, obwohl er den Verdacht hegen konnte, daß sie ihrer Mutter von dem Gespräch des früheren Abends erzählt haben mußte. Niemand war imstande, eine Großmacht zu leiten, ohne derartige Annahmen automatisch zu treffen.
Mit einem knappen Nicken, das seine Zufriedenheit ausdrückte, führte der Gardist Sun-Tzu schließlich in den Garten. Naomi begrüßte ihn und begleitete ihn hinüber zu ihrer Mutter. Emma Centrella erhob sich und erwartete ihn auf gleicher Höhe. Eine Konzession, die ich schon sehr bald zurückzunehmen gedenke.
»Magestrix«, begrüßte Sun-Tzu sie ruhig. Sein schlanker Körperbau wirkte unter der violetten Seidenrobe äußerst elegant. Obwohl die drei allein waren, hielt er die Hände in fast militärischer Art auf dem Rücken verschränkt, auch wenn von dieser Haltung nichts Bedrohliches ausging. »Ihre Einladung, Sie hier zu treffen, war eine angenehme Überraschung. Wir hatten in der letzten Zeit wenig Kontakt.«
»Ich wurde von dringenden Geschäften abgehalten.« Emma schlenderte einen der vielen Feldsteinwege entlang. Sun-Tzu ging neben ihr her, Naomi folgte den beiden. »Unter anderem durch Ihre skrupellosen Aggressionen gegen mein Reich.« Sie hatte ihn offen beleidigt, aber seine einzige Reaktion bestand in einer leichten Anspannung der Schultern und der Verhärtung seiner Miene.
Nur in privater Umgebung konnte der Kanzler der Konföderation Capella eine derartige Herausforderung hinnehmen, ohne das Gespräch sofort zu beenden. Aber hier war es möglich, ohne Gesichtsverlust auf Förmlichkeiten zu verzichten - ein Spielfeld nach Emma Centrellas Gusto. Sie wanderte weiter den Pfad entlang, genoß die schweren Düfte der seltenen und kostbaren Flora ihres Reiches und wartete ab, ob Sun-Tzu auf das Spiel einging.
Als er schließlich antwortete, geschah es ohne die geringste vorgetäuschte Höflichkeit. »Wenn ich eine Offensive gegen das Magistrat starten wollte, würden meine Truppen in diesem Augenblick auf Canopus IV landen.« Seine Stimme war leise, kalt und hart. Es war der richtige Ton für Drohungen.
Aber ein Fehler, wenn er glaubt, mich auf meinem Heimatboden einschüchtern zu können. Emma ging selbstverständlich davon aus, daß die Todeskommandos des Kanzlers inzwischen über dem Garten in Angriffsposition gegangen waren, aber trotz ihres großen Respekts vor deren Fähigkeiten machte sie sich deswegen keine Sorgen. Danai war zur Zeit sicher entfernt. Und ich vertraue den Fähigkeiten meiner Tochter, an meiner Stelle zu herrschen, völlig. Wie steht es mit dir, Sun-Tzu Liao? Bist du bereit, die Konföderation deiner wahnsinnigen Schwester Kali zu überlassen?
»Wir sind nicht auf Sarna, Kanzler«, stellte sie mit einem Hinweis auf die Feindseligkeiten zwischen der Konföderation Capella und der winzigen Allianz unabhängiger Systeme an dessen Grenze zu den Chaos-Marken fest. »Das Magistrat bietet stärkeren Widerstand, und wir besitzen Möglichkeiten, über die Sarna nicht verfügt.« Eine kurze Pause, dann fuhr Emma mit eisiger Ruhe fort. »Sie schleusen Waffen in die Marianische Hegemonie.« Ein umfangreicher Bericht der Söldner von Gli Angeli di Avanti war drei Tage zuvor mit einem Begleitschreiben von Major Judith Wood eingetroffen, der Garnisonskommandeurin Maranthas. Er hatte ihr alles mitgeteilt, was sie wußten oder glaubten, und inzwischen mußten die Angeli bereits auf dem Weg aus dem Marantha-System sein. »Nach Campoleone und über Astrokazy nach Alphard. Und währenddessen haben Sie die Frechheit, Ihre Truppen in mein Reich zu bringen, während Sie gegenseitigen Beistand predigen.« Der neue Blakes-Wort-Repräsentant hatte den Bericht mit Kopien des Nachrichtenverkehrs und der Sprungschiffrouten bestätigt, und selbst die ComStar-Vertreter auf Canopus IV hatten ihre Haltung etwas gelockert und halfen bei den Untersuchungen.
Falls ihre Kenntnisse über die Route, auf der Waffen und Ausrüstung geschmuggelt wurden, Sun-Tzu überraschten, ließ er sich außer einem nur angedeuteten Ausdruck der Neugierde nichts anmerken. »Wenn Sie über so detaillierte Kenntnisse dieser Verschwörung verfügen, nehme ich an, Sie besitzen auch
Weitere Kostenlose Bücher