BattleTech 37: Loyal zu Liao
dann setzten sie ihren Weg fort.
Der Mann schüttelte noch immer enttäuscht den Kopf. Dann erhob er sich erneut, diesmal vorsichtiger, und ging dem Pärchen hinterher. Einen Moment später wählte er einen Seitenweg, sein Schritt war entschlossen, als ob er das Objekt seiner Begierde noch einholen könnte.
Li zuckte mit den Schultern. Das schien doch eine ganz alltägliche Geschichte zu sein. Er nahm aus seinem Hemd eine Sonnenbrille und setzte sie auf. Dann stieß er sich vom Baum ab. Der Kies knirschte unter seinen Turnschuhen. Wenn man möglicherweise rennen muß, trug man besser Schuhe, die mehr Schutz boten als Sandalen. Er kam an der Parkbank vorbei, auf der eben noch der Fremde gesessen hatte, bemerkte den feuchten Fleck auf dem Holz, den die nassen Shorts hinterlassen hatten.
»Djing-cha!«
Bei dem Ruf schreckte Li Wynn auf, suchte instinktiv nach dem schnellsten Fluchtweg sowie der Quelle des Schreis. Er sah das junge Pärchen von eben. Der junge Mann zog seine Freundin an der Hand hinter sich her, als sie den Weg zurück zur Bank eilten. »Sie«, rief er, deutete auf Li. »Sahen Sie den Mann, der hier gesessen hat? Asiate? Mit Shorts?«
Li zwang sich zur Ruhe. Er wäre beinahe losgestürzt, als der Mann auf ihn zeigte. Jetzt, da alle Leute in der Nähe aufmerksam wurden, waren die Chancen, sich herauszureden, besser als die einer Flucht. »Ja«, sagte er. Lüge niemals, wenn die Wahrheit irreführend sein kann. Diese Regel hatte er schon früh auf den Straßen gelernt. »Irgendwas nicht in Ordnung?«
»Meine verdammte Brieftasche wurde gestohlen«, fauchte der Bursche und blickte sich suchend nach dem Taschendieb um. »Haben Sie gesehen, welchen Weg er genommen hat?«
Li mußte keine Überraschung vortäuschen. Der Mann hatte sich direkt vor seinen Augen ein Opfer ausgesucht und einen perfekten Griff getätigt! In ihm stieg das natürliche Bedürfnis auf zu lügen, den anderen Dieb zu decken, aber Li unterdrückte das Gefühl. Falls ihn ein anderer gesehen hatte, würde ihn eine Lüge selbst verdächtig machen. Also sagte er die Wahrheit, oder etwas in der Richtung.
»Ich weiß nicht genau, wo er hin ist«, sagte Li. Er wählte seine Worte mit Bedacht und kaschierte das, indem er sich übers Kinn strich und vorgab, sich zu konzentrieren. »Ich erinnere mich aber, daß er keine Schuhe trug. Ich glaube nicht, daß er lange auf dem Kies geblieben ist.« Li scharrte leicht am Boden und verstreute ein paar Steinchen. »Er ist bestimmt wieder zum Strand geschlichen.«
Der andere Mann blickte über die Straße und suchte den Teil des Strandes, den er von hier erkennen konnte, ab. Mindestens ein halbes Dutzend Männer von ähnlichem Körperbau und Aussehen waren in Sichtweite.
»Danke, Freund.« Seine Freundin wieder hinter sich herziehend, ging er unachtsam über die Straße und achtete nur auf die Gesichter der Leute um ihn herum.
Li nickte, zuckte mit den Schultern und ging dann langsam den Kiesweg entlang. Er nahm die gleiche Abzweigung wie der Dieb, beschleunigte und begann eine eigene Suche nach dem Mann. Sein Verhalten wurde von seiner Neugier bestimmt und nicht vom gesunden Menschenverstand. Man sollte einen Dieb nicht in die Enge treiben. Das konnte häßlich werden. Aber die Tatsache, daß der Dieb einerseits so herausragende Arbeit geleistet hatte, aber andererseits seine Kleidung so schlecht gewählt hatte, sagte Li, daß der Mann wahrscheinlich in Schwierigkeiten war und wohl Hilfe brauchen würde.
Zwanzig Meter weiter vorne kreuzte ein anderer Weg den seinen. Nun gab es drei Wege, die der Bursche genommen haben konnte, und Li versuchte, die Gedanken eines Kollegen nachzuvollziehen. Wenn er an seiner Stelle wäre, wäre er erst geradeaus gegangen, um die Distanz zu vergrößern. An der Abzweigung zur Linken würde er riskieren, in sein Opfer zu laufen. Der Weg zur Rechten führte zum Tatort zurück, wo die Polizei mit ihrer Suche beginnen würde. Dann erinnerte er sich an die Ruhe, mit der der Mann das Opfer nach dem Griff verfolgt hatte. Dazu brauchte man Nerven - zu riskieren, daß das Opfer den Verlust erst bemerken würde, wenn der Taschendieb längst eine andere Abzweigung gewählt hatte.
Li wandte sich nach links und streifte leicht eine Hecke, die rechts des Weges wuchs. Er schlug einen schnellen Schritt an. Rennen würde so aussehen, als ob er den Mann verfolgte und nicht nach ihm suchte. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Er dachte noch immer darüber nach, wie er denn eigentlich
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