BattleTech 44: Falke im Aufwind
Besonderheiten verschönt. Ihre Züge waren durchschnittlich, abgesehen vielleicht von der Sanftheit ihrer hellbraunen Augen. Das war der eine Punkt, an den man sich erinnerte: ihre Augen. Darin glich sie Marthe am stärksten. Es lag eine bestechende Sanftheit in Samanthas Blick, und nur die Menschen, deren Worten oder Handeln es gelang, sie in Wut zu bringen, wußten, wie zornerfüllt diese Augen lodern konnten. Sofern man damit in Berührung kam, war Samanthas Wut die zweite Eigenschaft, an die man sich erinnerte. Ihre Wutausbrüche kamen selten, aber wenn, dann erinnerten sie an Tropenstürme, ja, an Orkane, und hatten die Tendenz, alles in Schutt und Asche zu legen, was ihr in den Weg kam.
Die wenigsten Leute erinnerten sich an ihr Aussehen, aber niemand vergaß ihre Leistungen in einem BattleMech oder ihr Kampfgeschick. Samantha hatte den Widerspruchskrieg überlebt und zehn Jahre die Gierfalkengalaxis befehligt. Sie war die logische Wahl für den Posten der saKhanin, als Marthe sich plötzlich in die Rolle der Khanin katapultiert gesehen hatte. Marthe war froh, Samantha Clees an ihrer Seite zu wissen. Sie hatten auf Coventry Seite an Seite gefochten und unterstützten einander auch jetzt in allen wichtigen Fragen.
Bevor er das Wort ergriff, sah Perigard Zalman sich in der düsteren Kammer mit den im Halbkreis angeordneten Tribünenrängen um. Der große Saal war für die ursprünglichen vierzig Khane gebaut worden, aber deren Zahl war inzwischen auf zweiunddreißig geschrumpft. Heute waren sie alle hier versammelt, aber Zalmans einziger wirklicher Verbündeter war sein saKhan. Marthes Blick wanderte hinab in die Mitte der schwach beleuchteten Kammer, wo Kael Pershaw, jenes seltsame Wunder der Prothesentechnik, auf der rotierenden Empore stand. Neben ihm nahm der ilKhan, der Elementar Lincoln Osis, Platz und winkte dem Lehrmeister zu beginnen.
Der geheimnisvolle Pershaw war einst selbst ein Krieger gewesen und fungierte jetzt als Lehrmeister des Großen Konklave. Obwohl er seit den Anfängen der Invasion an keinem Gefecht mehr teilgenommen hatte, trug er noch immer den Rang eines Sterncolonels und genoß den Respekt der Khane. Der mißgebildete alte Krieger mit seinen künstlichen Gliedmaßen und der Maske, die irreparabel zerstörte Gesichtszüge verbergen mußte, war zugleich Kommandeur der Jadefalken-Clanwache, des Spionagearms seines Clans. Obwohl Marthe Spionage als etwas viel zu Hinterhältiges betrachtete, als daß es hätte ehrbar sein können, hatte sie als Khanin gelernt, Pershaws gewissenhaft zusammengetragene Informationen zu schätzen, insbesondere angesichts der mehr zur Inneren Sphäre als zu den Clan-Heimatwelten passenden Intrigen ihrer Mit-Khane. Die Verunstaltung des Mannes und sein halbes Gesicht mit dem einzelnen sichtbaren Auge blieben trotzdem unangenehm. Drei tiefe Narben zogen sich vom Rand der Halbmaske über die Nase und Wange, um dann unter dem Haaransatz zu verschwinden.
Perigard bat Lehrmeister Kael Pershaw formell um das Wort. Er erhielt die Erlaubnis mit der steifen Geste eines metallenen Arms.
»IlKhan Lincoln Osis, Lehrmeister Kael Pershaw, meine Mit-Khane. Ich wende mich heute mit einem Makel auf dem Erbe Kerenskys an euch, einem Verbrechen an der Geschichte der Clans, einer Beleidigung aller Ideale, für die alle Clans, ungeachtet unserer Differenzen, einmütig eintreten.«
Samantha beugte sich zu Marthe und flüsterte: »Erste Rakete, Ziel erfaßt und bereit zum Abschuß.« Marthe nickte, und einen Augenblick lang fühlte sie das ganze Gewicht der zeremoniellen Robe, die eine Khanin im Konklave trug. Sie hätte ihren BattleMech dafür gegeben, den bevorstehenden Angriff in leichter Montur abzuwarten.
»Ich will nicht lange herumreden«, fuhr Perigard fort. »Der Punkt, um den es mir geht, ist die Entscheidung der Jadefalken-Khanin, einer freigeborenen Kriegerin die Erlaubnis zu erteilen, sich um den berühmten und gefeierten Blutnamen Pryde zu bewerben. Ihr alle erinnert euch an die Heldentaten Aidan Prydes in der Schlacht um Tukayyid. Alle Clans, trotz unserer Differenzen, haben das Heldentum dieses Jadefalken-Kriegers gepriesen, und wir haben nahezu einstimmig die Aufnahme des genetischen Materials Aidan Prydes in den Genfundus der Jadefalken begrüßt, eine Belohnung für diesen Helden, die zwar noch nie dagewesen, zugleich aber den Taten dieses tapferen Kriegers angemessen war.«
»Er hört sich wirklich gerne reden, frapos?« flüsterte Samantha. Eine andere
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