BattleTech 44: Falke im Aufwind
zerrte sie zu sich hinüber. Sie atmete unabsichtlich ein, als er sie an sein Gesicht zog, und erkannte, daß er ebenfalls getrunken hatte. Aber sein Blick war klarer, und auch bösartiger. Er sah nach einem Krieger aus, der nicht zufrieden war, wenn er nicht jeden Tag mindestens ein anderes menschliches Wesen verkrüppeln oder besser noch umbringen konnte. Aber da Krieger sich nur selten sinnlos betranken, fühlte sie sich durch seinen Rausch im Vorteil.
Die Frau hinter ihm kam näher, mit festen Schritten, die deutlich machten, daß sie, im Gegensatz zu ihren männlichen Begleitern, keineswegs betrunken war. Ihr Gesicht erschien über seiner Schulter. Sie war ausgesprochen häßlich, mit ledriger Haut und einem kantigen Gesicht, das alles andere als ein Meisterwerk der Clan-Genetik zu sein schien. (Hengst hatte ihr vor einiger Zeit einmal erklärt, daß bei der Genmanipulation von ClanKriegern kein Wert auf Schönheit gelegt wurde, auch wenn sie sich häufig zumindest körperlich als Musterexemplare entpuppten. Diana hatte kein Interesse an Schönheit, weder an ihrer beträchtlichen eigenen, noch an der irgendeines anderen Kriegers. Aber die Kriegerin, die sie jetzt mit grausamem Blick über die Schulter ihres Begleiters anstarrte, war ein rechtes Scheusal.)
»Freigeburtsabschaum hat in Holovidarenen für ClanKrieger nichts zu suchen«, erklärte der Mann mit zögernder, leicht versumpfter Stimme. »Wir erlauben dir, ohne Schande von hier zu verschwinden. Setz dich in Bewegung.«
Er ließ sie los, während seine Begleiterin neben ihn trat, und sie starrten Diana gemeinsam an.
»Ich bin eine ClanKriegerin«, stellte Diana fest und strich ihre zerknitterte Clan-Uniform glatt. Dabei sah sie, daß die Uniformen ihrer beiden Kontrahenten keineswegs makellos waren, sondern schmutzig und zerrissen, ohne Zweifel als Folge anderer Schlägereien. »Ich bin Jadefalkin wie ihr.«
»Wir wissen, wer du bist. Du bist die dreckige Freigeburt, die es wagt, sich gegen Krieger um einen Blutnamen zu bewerben, die mehr Recht darauf haben als du. Du hast keinen Anspruch auf einen Blutnamen. Du hast...«
»Ich habe verstanden.«
»Gehst du freiwillig, oder müssen wir dich rauswerfen?«
»Bevor ich irgend etwas tue, muß ich die Namen der Wahrgeborenen wissen, die ihre Autorität über mich durchsetzen wollen.«
Die beiden sahen einander an und schienen zu der Entscheidung zu kommen, ihr diesen Wunsch zu gestatten. Als sie antworteten, trat der Betrunkene, der sie als erster belästigt hatte, und der sich jetzt wieder erholt zu haben schien, zu ihnen. Er schüttelte den Kopf, entweder, um die Nachwirkungen des Alkohols abzuschütteln oder die von Dianas Geraden. Aber selbst bei vollen Kräften schien er ihr keine sonderliche Bedrohung.
»Ich bin Selor Malthus.«
»Ich bin Janora Malthus.«
»Und euer halb ohnmächtiger Kollege?«
»Das ist Rodrigo.«
Diana legte die Stirn in Falten. »Was, kein Blutname?«
»Sein Blutrecht beginnt morgen.«
Diana musterte den schwankenden Krieger grinsend. »Er scheint bestens vorbereitet«, kommentierte sie seinen Zustand. »Ich wünschte, er wäre in meiner Linie. Ich würde ihn mit Freuden ziehen. Dann könnte ich mir wenigstens sicher sein, die zweite Runde zu erreichen.«
Sie sah über die Schulter. Das im Zeitraffer ablaufende Duell zwischen Aidan und Megasa näherte sich dem Höhepunkt. Bei dieser Geschwindigkeit konnte es nur noch Sekunden dauern, bis der Bluthund das Bein der Nemesis abschoß. Sie mußte sich beeilen.
Selor setzte sichtlich zur letzten Herausforderung an. Sie entschied sich, nicht zu warten.
Mit der Rechten packte sie Selors zerknitterten Kragen, mit der Linken den Janoras. Sie riß beide Krieger vor und an sich vorbei - erst Selor, dann Janora. Überrascht und zumindest in Selors Fall durch Alkoholgenuß behindert, boten sie beide kaum Widerstand.
Diana ließ sie los und wirbelte herum, um zuzusehen, wie die beiden Krieger gegen den Holovidtisch krachten. Janora rutschte zu Boden. Ihr Fuß war seltsam abgewinkelt, möglicherweise verstaucht. Selor, der größere der beiden, prallte von der Seite des Tisches ab. Dann taumelte er benommen zurück, mitten in das Hologramm, auf die Stelle, an der der Bluthund auf dem Rand des Grabens stand und darauf wartete, in Aidans letztem Rettungsmanöver zerstört zu werden. Der Kopf des Bluthund erschien auf Selors Bauchdecke. Bevor der Krieger sich orientieren konnte, flogen winzige Bruchstücke von Megasas Cockpit aus seinem Bauch, dann
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