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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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an Genua, als wären sie Ulm oder Augsburg. Die Städte in Deutschland sind durch den Willen eines Fürsten entstanden und haben sich von Anfang an zu ihren Fürsten bekannt. Bei den italienischen Städten ist das anders. Sie sind gegründet worden, als die deutschen Kaiser mit anderen Dingen beschäftigt waren, und sie sind gewachsen, indem sie sich die Abwesenheit ihrer Fürsten zunutze machten. Wenn du von Stadtvögten sprichst, die du ihnen vorsetzen willst, dann empfinden sie diese potestatis insolentiam als ein unerträgliches Joch und lassen sich lieber von selbst gewählten Konsuln regieren.«
    »Gefällt es ihnen denn nicht, sich von ihrem Kaiser schützen zu lassen und teilzuhaben an der Würde und dem Ruhm eines Reiches?«
    »Das gefällt ihnen sehr, und um nichts auf der Welt möchten sie auf diesen Vorteil verzichten, sonst würden sie bald irgendeinem anderen Monarchen zur Beute fallen, dem Kaiser von Byzanz oder womöglich dem Sultan von Ägypten. Aber ihr Kaiser soll ihnen möglichst fern bleiben. Du lebst umgeben von deinen Rittern, vielleicht machst du dir nicht klar, dass in diesen Städten andere Verhältnisse herrschen. Sie erkennen die großen Lehnsherren der Ländereien und Wälder nicht an, da in der Regel auch Ländereien und Wälder zu den Städten gehören – außer denen des Markgrafen von Montferrat und wenigen anderen. Bedenke, dass in den Städten junge Leute, die ein Handwerk betreiben und deinen Hof nie betreten dürften, sich um die Verwaltung kümmern und Befehle erteilen, und manche sind sogar schon zur Ritterwürde erhoben worden ...«
    »Da sieht man's, die Welt steht kopf!« rief Friedrich.
    »Mein lieber Vater«, mischte sich Baudolino ein, »du behandelst doch aber auch mich wie einen aus deiner Familie, obwohl ich im Dreck aufgewachsen bin. Wie passt das zusammen?«
    »Sehr gut passt das zusammen, wenn ich es will, kann ich dich auch zum Herzog machen, denn ich bin der Kaiser und kann jeden beliebigen per Dekret in den Adelsstand erheben. Das heißt aber nicht, dass jeder beliebige sich selbst adeln kann! Begreifen denn diese Städter nicht, dass, wenn die Welt kopfsteht, auch sie ihrem Untergang entgegengehen?«
    »Offenbar nicht, lieber Neffe«, sagte Otto. »Diese Städte mit ihrer Art, sich selbst zu regieren, sind mittlerweile der Ort, an dem sich aller Reichtum konzentriert, die Händler kommen von überallher zusammen, und die Mauern sind schöner und solider als die Mauern vieler Burgen.«
    »Auf wessen Seite stehst du, Onkel?« schnaubte der Kaiser.
    »Auf deiner, mein kaiserlicher Neffe, aber gerade deshalb ist es meine Pflicht, dir verstehen zu helfen, worin die Stärke deiner Gegner liegt. Wenn du darauf beharrst, von diesen Städten zu verlangen, was sie dir nicht geben wollen, wirst du den Rest deines Lebens damit verbringen, sie zubelagern, sie zu besiegen und sie nach wenigen Monaten glänzender als zuvor wiederauferstehen zu sehen, so dass du von neuem über die Alpen ziehen musst, um sie erneut zu unterwerfen, während deine kaiserliche Bestimmung ganz woanders liegt.«
    »Und wo sollte meine kaiserliche Bestimmung liegen?«
    »Friedrich, ich habe in meiner Chronica geschrieben – die durch ein unerklärliches Missgeschick verloren gegangen ist, ich werde sie wohl neu schreiben müssen, Gott strafe den pflichtvergessenen Rahewin, der ist sicher verantwortlich für den Verlust! –, ich habe geschrieben, dass vor geraumer Zeit, als Eugen III. auf dem Stuhl Petri saß, der syrische Bischof Hugo von Gabala, der mit einer armenischen Gesandtschaft zu Besuch beim Papst war, ihm erzählte, es gebe im äußersten fernen Osten, in der Nähe des Irdischen Paradieses, das Reich eines Priesterkönigs, des sogenannten Presbyters Johannes, der sicher ein christlicher König sei, wenn auch ein Anhänger der nestorianischen Häresie, und dessen Vorfahren jene Magier aus dem Morgenlande gewesen seien, Priesterkönige auch sie, aber Inhaber einer uralten Weisheit, die das Jesuskind in der Krippe besucht hatten.«
    »Und was habe ich, der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, mit diesem Priester Johannes zu tun, den der Herr noch lange als Priesterkönig bewahren möge in seinem Maurenreich, wo immer das liegen mag?«
    »Siehst du, mein illustrer Neffe, der du ›Mauren‹ sagst und dabei genauso denkst wie die anderen christlichen Könige, die sich in der Verteidigung Jerusalems verausgaben – eine überaus fromme Unternehmung, kein Zweifel, aber überlass sie dem

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