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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Täubchen oder einer gebratenen Gans erquicken, und wenn man ärmer war mit einem Teller Kutteln oder Hammelfleisch. Baudolino half dem mittellosen Poeten, nicht bloß von Kutteln zu leben. Doch der Poet war ein kostspieliger Freund, denn die Menge Weines, die er vertrug, ließ den Susaner Ochsen zusehends abmagern.
    Diese Details überspringend, berichtete Baudolino sodann von seinen Lehrern und den schönen Dingen, die er bei ihnen lernte. Beatrix war sehr empfänglich für diese Offenbarungen, die ihr erlaubten, ihren Wissensdurst zu stillen, und so las sie mit großer Aufmerksamkeit diese Briefe, in denen Baudolino ihr von Grammatik, Dialektik und Rhetorik erzählte, von Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Doch Baudolino fühlte sich immer niederträchtiger, denn er verschwieg ihr nicht nur, was sein Herz bedrängte, sondern auch alles andere, was er tat und was man weder einer Mutter noch einer Schwester erzählen konnte, weder einer Kaiserin noch gar der geliebten Frau.
    Erstens spielten sie häufig Ball, was zwar an sich harmlos wäre, aber dabei kam es oft zu Raufereien mit den Leuten der Abtei von Saint-Germain oder auch zwischen Studenten verschiedener Herkunft, zum Beispiel denen aus der Picardie und denen aus der Normandie, und dannbeschimpfte man sich auf Lateinisch, damit auch jeder richtig verstand, dass und wie er beleidigt wurde. Lauter Dinge, die dem Grand Prévost von Paris nicht gefielen, weshalb er seine Bogenschützen losschickte, um die Hitzigsten zu verhaften. Versteht sich, dass die Studenten an diesem Punkt ihre Differenzen vergaßen und sich alle gemeinsam gegen die Bogenschützen wandten.
    Niemand in der Welt war jedoch korrupter als die Bogenschützen des Prévost von Paris, und so mussten jedes Mal, wenn ein Student verhaftet wurde, alle in die Tasche greifen, um ihn wieder freizubekommen. Das aber machte die Pariser Vergnügungen noch kostspieliger.
    Zweitens wird ein Student, der keine amourösen Affären hat, von seinen Gefährten verspottet. Leider jedoch waren Frauen das am schwersten Erreichbare für einen Studenten in Paris. Studentinnen gab es nur sehr wenige, und man hörte noch immer Legenden von der schönen Heloïse, die ihren Geliebten den Verlust seiner pudenda gekostet hatte, auch wenn es eine Sache war, Student zu sein, also per definitionem anrüchig und bloß geduldet, und eine andere, Professor zu sein wie der große und vom Unglück verfolgte Abaelard. Mit käuflicher Liebe ließ sich dem Mangel nicht sehr weit abhelfen, denn sie war teuer, und so musste man sehen, dass man da und dort eine Bedienung im Wirtshaus oder ein Mädchen im Viertel bezirzte, aber im Viertel gab es immer mehr Studenten als Mädchen.
    Es sei denn, man verstand es, mit lässiger Miene und keckem Blick auf der Isle de la Cité umherzuspazieren und Damen der guten Gesellschaft zu verführen. Sehr begehrt waren Gattinnen jener Metzger der Place de Grève, die nach einer ehrenvollen Berufskarriere nicht mehr eigenhändig schlachteten, sondern den Fleischmarkt beherrschten und wie Herren auftraten. Mit einem Gatten zur Seite, der als junger Mann Rinderviertel geschleppt und in fortgeschrittenem Alter einen gewissen Wohlstand erlangt hatte, waren die Damen empfänglich für den Charme der stattlicheren Studenten, um so mehr, je jünger diese waren. Aber die besagten Damen kleideten sich in pompöse Gewänder, geschmückt mit Pelzen, silbernen Gürteln undJuwelen, wodurch es auf den ersten Blick schwierig war, sie von den Luxus-Prostituierten zu unterscheiden, die es wagten, obwohl die Gesetze es ihnen verboten, sich in derselben Weise zu kleiden. Dadurch waren die Studenten peinlichen Missverständnissen ausgesetzt, derentwegen sie dann von ihren Freunden gehänselt wurden.
    Hinzu kam: Wenn es einmal gelang, eine wirkliche Dame zu erobern, oder gar ein noch unbescholtenes junges Mädchen, so merkte es früher oder später der Gatte oder der Vater, es kam zu Handgreiflichkeiten, wenn man nicht gar zu den Waffen griff, das Ergebnis war manchmal ein Toter und oft ein Verletzter, meist war es der Gatte oder der Vater, und dann gab es wieder Ärger mit den Bogenschützen des Prévost. Baudolino hatte nie jemanden umgebracht, und gewöhnlich hielt er sich auch von den Schlägereien fern, aber mit einem Gatten (und Metzger) hatte er es zu tun bekommen. In Liebe erglüht, aber vorsichtig in den Dingen des Krieges, hatte er, als der Gatte plötzlich hereinkam, in der Hand einen jener Fleischerhaken,

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