Baudolino
warfen Steine, aber mehr um zu lärmen, als um wirklich Schaden anzurichten. Erst als die Lateiner genau vor Pera ankerten, ließ dieser Tor Alexios III. die kaiserliche Armee ausrücken. Aber es war ebenfalls eher eine Parade, in Konstantinopel lebte man wie in einem Halbschlaf. Du weißt vielleicht, daß der Eingang zum Goldenen Horn mit einer großen Kette versperrt war, die von einem Ufer zum anderen reichte, aber sie wurde von den
Unseren schlecht verteidigt: Die Lateiner durchbrachen die Kette, fuhren in den Meeresarm ein und setzten ihre Armee genau vor dem Blachernenpalast an Land. Unsere Armee
machte einen Ausfall vor die Mauern, geführt von dem jungen Kaiser, die Damen verfolgten das Spektakel von den Fenstern und Zinnen des Palastes aus und sagten, die Unseren hätten wie Engel ausgesehen mit ihren schönen, in der Sonne
schimmernden Rüstungen. Erst als der Kaiser, anstatt sich in die Schlacht zu stürzen, wieder in die Stadt zurückkehrte, begriffen sie, daß etwas nicht so lief, wie es sollte. Und noch besser begriffen sie das ein paar Tage später, als die Lateiner die Mauern vom Meer aus angriffen und es einigen von ihnen
gelang, sie zu erklimmen und die nächststehenden Häuser in Brand zu stecken. So kam es zur ersten großen Feuersbrunst, und nun erst begannen meine Mitbürger zu begreifen. Was aber tat Alexios III.? Er ließ nächtens zehn Kentenare Gold und anderen Schmuck auf ein Schiff verladen und floh mit ihm aus
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der Stadt.«
»Und sein Bruder Isaakios kehrte auf den Thron zurück.«
»Ja, aber er war schon alt und zudem geblendet, und die Lateiner erinnerten ihn daran, daß er die Herrschaft mit seinem Sohn teilen mußte, der nun Alexios IV. wurde. Mit diesem törichten, unerfahrenen Kind hatten die Lateiner Pakte
geschlossen, von denen wir noch nichts wußten: Das
Byzantinische Reich sollte zum römisch-katholischen Glauben zurückkehren, der Basileus sollte den Kreuzpilgern
zweihunderttausend Silbermark, Lebensmittel für ein Jahr, zehntausend Ritter zur Eroberung Jerusalems und eine
Besatzung von fünfhundert Rittern im Heiligen Land geben.
Isaakios stellte fest, daß nicht genug Geld im kaiserlichen Schatz war, und er konnte ja nicht gut hingehen und Klerus und Volk zu erzählen, daß er sich auf einmal dem Papst in Rom unterworfen habe... So begann eine Farce, die sich über Monate hinzog. Einerseits machten sich Isaakios und sein Sohn, um das nötige Geld zusammenzuraffen, über die Kirchen her und
plünderten sie. Die heiligen Ikonen Christi wurden mit Beilen von der Wand geschlagen, ihr Schmuck wurde abgebrochen und eingeschmolzen, die geweihten Geräte wurden aus den Kirchen geschleppt, ins Feuer geworfen und wie gewöhnliches Silber und Gold den Feinden gegeben. Andererseits tummelten sich die Lateiner, die vor Pera ankerten, auch auf dieser Seite des Goldenen Horns, saßen mit Isaakios an der Tafel, spielten sich überall als Herren auf und taten alles, um ihre Abreise zu verzögern. Sie behaupteten, sie warteten nur darauf, voll bezahlt zu werden, und wer am meisten darauf drängte, war der Doge Dandolo mit seinen Venezianern, aber ich glaube, in
Wirklichkeit hatten sie hier das Paradies gefunden und lebten selig auf unsere Kosten. Noch nicht zufrieden damit, daß sie die Christen erpreßten, und vielleicht zum Ausgleich dafür, daß sie noch nicht mit den Sarazenen in Jerusalem kämpften, gingen
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einige von ihnen hin und plünderten die Häuser der Sarazenen von Konstantinopel, die dort seit langer Zeit friedlich lebten, und bei dieser Gelegenheit legten sie den Brand, der zur zweiten großen Feuersbrunst führte, in der ich auch das schönste meiner Häuser verlor.«
»Und die zwei Kaiser protestierten nicht bei ihren
Verbündeten?«
»Sie waren inzwischen nur noch zwei Geiseln in den Händen der Lateiner, die Alexios IV. zum Gegenstand ihres Gespötts gemacht hatten. Einmal, als er in ihrem Lager war, um sich wie ein gewöhnlicher Ritter bei Wein und Würfelspiel zu vergnügen, nahmen sie ihm die goldene Krone vom Kopf und setzten sie sich selber auf. Nie ist ein Basileus von Byzanz so tief gedemütigt worden! Was den alten Isaakios betraf, so verblödete er unter gefräßigen Mönchen, faselte von der Weltherrschaft, die er erringen wolle, und daß er das Augenlicht zurückgewinnen werde... Bis das Volk sich schließlich erhob und nach einigem Hin und Her den jungen Nikolaos Kanabos zum Basileus
wählte. Eine gute Wahl, kein Zweifel, aber der
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