Bauern, Bonzen und Bomben
Nähe?«
»Ja, geschimpft wurde schon, aber ich kriegte nicht schlau, was los war.«
»Und das sollten Ihnen die Beamten erzählen? Wo ein Schwerverletzter auf dem Pflaster lag?«
»Ja, ich wollte doch gern wissen …«
»Und dann wollten Sie fragen, wie Sie durchkämen? Durch die Menschenmenge? Wäre es nicht einfacher gewesen, Sie wären einfach zurückgegangen?«
»Aber dann kam ich doch nicht zu Herrn Heß!«
»Sie hätten doch durch die Grünhofer Straße gehen können.«
»Daran habe ich nicht gedacht.«
»Und Sie wollten nun fragen, wie Sie durchkämen. Aber da war doch die Menschenmenge, ein paar tausend Mann. Und Sie haben uns doch erzählt, wie die Beamten ›Straße frei‹ riefen. Wurde denn die Straße da frei?«
»Nein, da waren zu viele.«
»Wie konnten Ihnen denn die Beamten da helfen? Sie müssen doch eine Idee gehabt haben?«
»Nein … Ich weiß nicht mehr … Ich wollte bloß fragen, was los war.«
»Nein, Herr Czibulla, das scheint mir alles noch nicht auszureichen. Sie waren also sehr erregt. Sie hatten den blutenden Mann auf dem Pflaster liegen sehen. Die Beamten standen mit dem Rücken zu Ihnen. War es da nicht doch vielleicht so, daß Sie den Beamten eins auswischen wollten?«
»Herr Landgerichtsdirektor, so wahr ich hier stehe … Ich bin doch Dentist, was gehen mich denn solche Sachen an?«
»Nun,
der
Herr ist Reisender in landwirtschaftlichen Maschinen, den ging es auch nichts an, wenn man es von Ihrem Standpunkt ansieht, und doch lag er auf dem Pflaster.«
|512| »Ich kann das nicht erklären«, flüstert der Kleine, »aber ich wollte nur mal fragen. Da standen die Beamten …« Er bricht ab und sieht sich hilflos um.
Der Verteidiger erhebt sich. »Ich finde, Herr Czibulla hat uns eine vollkommen einleuchtende und ausreichende Erklärung gegeben. Herr Czibulla war unruhig, besorgt, erregt, ein blutender Mensch lag auf dem Pflaster. Herr Czibulla war ängstlich. Um ihn wurde geschimpft, die Leute waren aufgeregt.
Ein ängstlicher Mensch hat in solcher Lage den Wunsch, sich unter Schutz zu stellen. Da waren die Beamten. Was lag näher, als daß er zu den Beamten ging. Dafür ist die Polizei doch da. Er hat sich gar nichts weiter gedacht dabei, er hat rein gefühlsmäßig gehandelt. Vielleicht hat er sich wirklich gesagt, frag sie, wie du durchkommst, was los ist. Aber die Hauptsache war ihm, daß er unter Schutz kam.«
Der Vorsitzende fragt: »War das so, Herr Czibulla, wie Herr Justizrat Streiter das eben ausführte, daß Sie sich schutzbedürftig fühlten und sich unter den Schutz der Beamten stellen wollten?«
Der Kleine flüstert ängstlich: »Ich weiß doch nicht … Ich wollte doch zu Herrn Heß …«
»Also lassen wir das vorläufig. – Was geschah nun? Halt, einen Augenblick. Was hatten Sie in Ihren Händen, als Sie zu den Beamten gingen?«
»In den Händen? Meine Tasche.«
»In der einen Hand. Und in welcher Hand? In der rechten oder in der linken?«
»In der linken. Nein, in der rechten. Nein, ich weiß nicht mehr.«
»Und was hatten Sie in der andern Hand?«
»In der andern? Nichts.«
»Herr Czibulla, überlegen Sie sich genau, was Sie sagen. Was hatten Sie in der andern Hand?«
»Nichts, Herr Landgerichtsdirektor. Bestimmt nichts.«
»Hatten Sie nicht einen Stock in der andern Hand?«
|513| »Einen Stock? Ich gehe doch nicht mit einem Stock!«
»Oder einen Schirm?«
»Herr Landgerichtsdirektor, seit fünfundzwanzig Jahren gehe ich ohne Schirm. Seit ich im ersten Ehejahr den Schirm mal habe stehenlassen, habe ich keinen neuen gekauft.«
Gelächter im Zuhörerraum.
»Ich bitte, das Lachen zu unterlassen.«
Der Gerichtsdiener läuft in den Gang. »Das Lachen ist zu unterlassen! – Das Lachen ist zu unterlassen! – Das Lachen …«
Der Vorsitzende: »Ich danke Ihnen, Herr … Danke, danke, es ist erledigt. – Herr Czibulla, wir werden später einen Zeugen hören, der aussagt, daß Sie einen Schirm oder Stock in der Hand gehabt haben.«
»Herr Landgerichtsdirektor, das ist doch unmöglich. Nie gehe ich mit Schirm oder Stock. Fragen Sie meine Frau, fragen Sie alle meine Verwandten oder Bekannten, nie hat mich jemand mit einem Stock gesehen.«
»Der Zeuge wird aussagen, daß Sie den Polizeihauptwachtmeister Meierfeld mit dem Stock oder mit der Schirmkrücke ins Kreuz gestoßen haben.«
»Wie kann denn der Mann das! So, Herr Landgerichtsdirektor, so habe ich ihn mit der Hand am Rock gezupft.«
»Aber auch Herr Meierfeld hat ausgesagt, daß er
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