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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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stand unten in der Diele und sah zu ihr hoch. »Können wir
los?«
    »Ja«, sagte sie. »Wir können los.«
    Hinter dem Hof von Ewald Tönnes verließen sie die Straße,
um zu Fuß weiterzugehen. Den Motorroller schoben sie in die Wallhecke, damit er
unsichtbar wurde. Dann schlichen sie zu dem kleinen Bach, der zu den
verfallenen Hofgebäuden von Melchior Vesting führte.
    Im Schutz der Uferböschung konnten sie ungesehen dorthin gelangen.
Annika ging in geduckter Haltung voran, sie wollte möglichst schnell den Wald
erreichen. Doch Bernd blieb auf halber Strecke stehen und packte seine Kamera
aus dem Rucksack.
    »Warte mal.« Er streckte den Kopf über die Böschung hinweg und
begann Fotos zu schießen. »Super Perspektive«, kommentierte er. Annika zog ihn
an der Jacke zurück in die Deckung.
    »Am Hof gibt es genügend Verstecke. Das ist viel zu riskant hier.
Glaub mir, du möchtest lieber keine Bekanntschaft mit Melchior Vesting machen.«
    Sie schlich voran, und er folgte ihr. Im Wald konnten sie sich
aufrecht fortbewegen. Brombeersträucher und Holunderbüsche bildeten ein beinahe
undurchdringliches Dickicht, keiner würde sie hier entdecken. Annika blieb immer
wieder an den Dornenbüschen hängen. Sie trat die Zweige vorsichtig nieder und
befreite sich mit spitzen Fingern von den Ranken. Mit zerstochenen Händen und
aufgekratzten Beinen erreichte sie schließlich das Grundstück von Melchior
Vesting. Dort huschte sie zur Rückseite eines der Wirtschaftsgebäude und
tauchte in den Schatten. Dann wandte sie sich um.
    Bernd steckte noch immer in den Brombeeren fest. Die Kamera hielt er
hoch über den Kopf, mit der freien Hand legte er vorsichtig Ranke um Ranke
frei. Schließlich erreichte er ebenfalls die Rückwand.
     »Wenn man dich so im
Unterholz beobachtet«, flüsterte er, »könnte man denken, du wärst früher in
Vietnam dabei gewesen.«
    »Städter«, kommentierte sie und zog ihn hinter sich. »Komm mit!«
    Sie schlich bis zum Ende der Wand, überblickte den Garten und lief
eilig zur alten Schmiede. Dort angekommen, gab sie Bernd ein Zeichen: Die Luft
ist rein. Er schloss zu ihr auf.
    Von der Schmiede aus hatten sie einen hervorragenden Blick auf das
Gelände. Annika lächelte zufrieden.
    »Na, was sagst du jetzt?«
    Bernd war beeindruckt. »Du kennst dich hier wirklich gut aus.«
    »Als Kinder waren wir im Wald oft spielen. Doch Vesting hat sich
lautstark beschwert, und weil unsere Eltern keinen Ärger haben wollten, stand
es plötzlich unter Todesstrafe, hierherzukommen.«
    »Gehört der Wald zu seinem Grundstück?«
    Sie nickte. »Privatbesitz.«
    Bernd nahm die Kamera und begann Fotos zu schießen. »Einfach
perfekt«, flüsterte er. »Genauso habe ich es mir vorgestellt.«
    Annika betrachtete nachdenklich die alten Fachwerkgebäude.
    »Eigentlich ist es ja wunderschön hier«, sagte sie.
    Bernd spähte zum Haus. »Weißt du, wo das Zimmer von diesem Jungen
ist? Von ihm hätte ich auch gerne ein Foto.«
    »Von Aalderk? Wie stellst du dir das vor? Willst du durchs Fenster
fotografieren?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht kommt er ja auch raus.«
    »Weshalb sollte er das tun? Er sitzt im Rollstuhl.« Annika fasste
ihn an der Schulter. »Lass uns lieber verschwinden. Wir haben alles, was wir
brauchen. Es wird langsam dunkel.«
    Hinter einem der Fenster brannte eine Glühbirne auf. Melchior
Vesting tauchte auf und verschwand wieder. Das Licht blieb eingeschaltet.
    »Dort muss es sein«, sagte Bernd nachdenklich. »Ich würde den Jungen
wirklich zu gerne einmal sehen. Was meinst du: Können wir uns noch ein bisschen
näher heranschleichen?«
     »Ich weiß nicht. Vielleicht
versuchen wir es besser im Krankenhaus.«
    »Ach, komm. Wo wir schon mal hier sind.«
    »Siehst du die Hecke da vorne?«, meinte Annika. »Da müssten wir vor
Vestings Blicken geschützt sein.«
    Er löste sich aus dem Schatten und rannte zu einem Rosenstrauch, wo
er kurz verschnaufte, um dann durch das hohe Gras weiterzurobben. An der
ungepflegten Hecke, nur ein paar Meter vom Haus entfernt, ging er in Deckung.
Er zeigte Annika den erhobenen Daumen, im Gesicht ein breites Grinsen.
    Das Haus wirkte ruhig und leer. Keiner war am Fenster zu sehen. Also
gut, dachte sie. Es waren nur gute zehn Meter, doch der Weg kam ihr unendlich
weit vor. Schwer atmend warf sie sich neben Bernd auf den Boden.
    »Du hast es echt drauf«, sagte er anerkennend. »Respekt.«
    »Was hast du jetzt vor?«
    »Ich will nur durchs Fenster sehen. Mehr nicht. Danach

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