Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
wir wieder bei Kaiser wären.«
»Ja. Aber zuerst möchte ich den Punkt klären, wo sich Betrug lohnt. In Deutschland haben wir einmal einen Fördertopf, wenn der Hof auf ökologischen Landbau umgestellt wird, und zum anderen Hilfen, die an Betriebe gehen, die dabeibleiben. Sie werden abhängig von der bewirtschafteten Fläche gewährt. Ein Beispiel: Der Alleenhof hat meines Wissens einhundertachtzig Hektar, von denen etwa neunzig Grünland sind, zwanzig dem Gemüseanbau dienen und die restlichen siebzig für Ackerbau verwendet werden. Das macht rund siebenundzwanzigtausend Euro flächenbezogener Unterstützung im Jahr. Rechnet man das Ganze durch, ernten die Biobauern geringere Mengen, bekommen jedoch bessere Preise. Inklusive der Förderung stehen sie sich oftmals günstiger als ihre konventionellen Kollegen. Ausnahmen gibt es natürlich auch. Das Bundesministerium hat 2010 sogar festgestellt, dass in ökologisch wirtschaftenden Betrieben die Weizenernte nur halb so hoch ist, doch das wird von den mehr als doppelt so hohen Marktpreisen überkompensiert.«
Lichthaus dachte an das Gespräch mit Molitor, der ähnliche Schlüsse gezogen hatte. »Es macht also Sinn, Unterstützungen zu erschleichen.«
»Finden Sie?« Brünjes schaute spöttisch über den Rand seiner Lesebrille und erinnerte ein wenig an Peter Sloterdijk im philosophischen Quartett. »Für einen großen Hof wie den Alleenhof nur siebenundzwanzigtausend Euro? Nein, ich denke, wenn einer bescheißen will, sind die zusätzlichen Subventionen nur eine Begleiterscheinung. Betrug im Ökobereich findet per Etikettenschwindel statt, wenn für konventionell produziertes Fleisch, Obst oder Gemüse höhere Preise gezahlt werden, weil sie als Bioware deklariert werden, aber tatsächlich aus der konventionellen Landwirtschaft stammen. Die auch noch größere Mengen erzielt, und das bei geringeren Kosten. Hochgezüchtete, hormonell behandelte Sauen werden plötzlich zu teuer aufgezogenen Edelschweinen. Tolle Sache. Ein Bauer in Niedersachsen hat mit seinen Standardviechern so rund dreihundertvierzigtausend Euro ergaunert. In Italien wurden siebenhunderttausend Tonnen Getreide und Früchte umetikettiert und in ganz Europa als Bioprodukte verzehrt. Geschmacklich merkt der Verbraucher das nicht. Man schätzt den Profit auf zweihundert Millionen.«
»Unfassbar. Angeblich wird doch alles vollständig überwacht.«
»Scheinbar ja, aber es wird allzu oft weggesehen oder einfach betrogen. Durchstoßen Sie die lückenlose Kette der Herkunftsnachweise an der richtigen Stelle und Sie können jedes Produkt in das System einfließen lassen.«
»Sie vermuten also, dass Kaiser in einer entsprechenden Sauerei steckt?«
»Ja, nur beweisen kann ich nicht das Geringste. Vor drei Monaten wurden mir anonym Informationen zugespielt, dass in Deutschland eine Ökomafia in großen Mengen minderwertige Lebensmittel auf öko trimmt und vertreibt.«
»Gehen Sie solchen Hinweise auf vermeintliche skandalöse Machenschaften immer nach?«
»Wir verifizieren natürlich die Sachverhalte, gleichen mit neutralen Quellen ab, denn wir spielen ungern die Erfüllungsgehilfen für jemanden, der einem Konkurrent in den Hintern treten will und ihn bei uns anschwärzt.«
Lichthaus stand auf und schenkte dem Journalisten nach. Er hatte seinen Lieblingswein von Ottos Meisterhand aufgemacht. Ein halbtrockenes Hochgewächs mit feinen Aromen, die Weintester wohl als Pfirsich bezeichnen würden. Eigentlich nicht für Besuch bestimmt. Brünjes jedoch hatte augenblicklich gezeigt, dass er sich mit Weinen auskannte und eine profunde Diskussion begonnen, die letztendlich nur noch zu dieser Flasche führen konnte.
»Die Angaben stimmten also?«
»Ja.« Der Reporter nippte an seinem Glas und ließ den Riesling auf seine Geschmacksnerven wirken. »Herrlich, davon werde ich mir einen Karton besorgen. Aber, bevor wir in die Details gehen: Was bekomme ich von Ihnen?«
Lichthaus überlegte lange und schaute in den Ofen, hinter dessen Sichtfenster ein Buchenscheit knackte. »Kaiser hatte Schwarzgeld unbekannter Herkunft auf Konten in Offshore-Zentren.«
Brünjes versuchte zwar seine Überraschung zu verbergen, doch Lichthaus, erfahren aus unzähligen Verhören, registrierte die leichten Zeichen der Erregung, die der andere aussandte und zu überspielen suchte, indem er sprach. »Meine Quellen sind anfangs nicht wirklich konkret geworden. Die Mail hat riesigen Anlauf genommen und über Verantwortung schwadroniert,
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