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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Peter
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habe mitgeteilt, er sei beinahe mit einem Fahrzeug zusammengestoßen, das zur fraglichen Tatzeit aus dem Hof des Bichlers kam. Mehr konnte Bruce am Notruf nicht erfragen.
    Charly und Helmuth fuhren unverzüglich zur angegebenen Adresse. Ein großzügig – Helmuth hatte es großkotzig genannt – geschnittenes Einfamilienhaus am südlichen Ortsrand von Oberstimm stand lieblos mitten in einem riesigen Garten. Der bemerkenswerte Distel- und Brennnesselbewuchs sowie zahlreiche Spinnweben und das verdorrte Laub von mehreren Jahren zeigten deutlich, welches Gewicht die Bewohner den kleinbürgerlichen Obliegenheiten beimaßen. Wahrscheinlich pflegten sie höherwertigere, geistige Interessen.
    Ein hageres Männchen in einem zu großen, groben Strickpullover öffnete ihnen die Tür und führte sie, nachdem sie sich vorgestellt und ausgewiesen hatten, in eine Art Atrium mit Sichtbalken und offenem Kamin. Das Innere des Hauses bestätigte den Eindruck, den die Ermittler schon außen von den Lebensinteressen der Bewohner gewonnen hatten. Sie setzten sich und Charly legte seine Schreibmappe widerwillig auf den mit Rotweinrändern und Mateteeflecken verklebten Couchtisch.
    »Nun, Herr Bracke«, eröffnete Charly das Gespräch, »erlauben Sie mir als Erstes die Frage, warum Sie sich erst jetzt melden, mehr als drei Wochen nach dem Vorfall.«
    »Sehen Sie, meine Herren«, antwortete das Männchen und kraulte seinen grauen Kinnbart. »Ich bekleide eine Leader-Position bei der Audi AG.« Er stand auf und fischte seine Geldbörse aus der Gesäßtasche seiner schlabbrigen Cordhose. Dann überreichte er Charly eine Visitenkarte: Thilo Bracke, Entwicklungsingenieur, stellv. Leiter Abt. E/III/127-14.
    »Meine Stellung macht es erforderlich, dass ich mich regelmäßig an unseren Standort in China,« – er sagte nicht ›Kina‹, wie es in hiesigen Breiten üblich war und auch nicht ›Schiena‹, wie unheilbar sprachbehinderte Preußen das Wort immer wieder prononcieren, nein, er sagte ›Tschaina‹ – »in Changchun, begebe, um dort den Workflow für die Q5-Reihe …«, er winkte gelangweilt ab. »Aber das führt zu weit, Sie würden es ohnehin nicht verstehen. Jedenfalls fliege ich regelmäßig, jeweils in Zeitfenstern von zwei bis drei Wochen, nach China. Der letzte Flight ging am Sonntag, 12. Oktober, rüber und vorgestern kam ich wieder zurück.« Charly und Helmuth nickten. Charly machte sich Notizen und Helmuth schluckte die Frage nach den Gehaltszulagen hinunter.
    »Was jetzt Ihren Fall angeht«, fuhr Thilo Bracke fort. »Ich lese während meines Aufenthaltes in China über die Weltpolitik in den großen Papers, in denen Ihr Fall natürlich nicht auftaucht.« Dabei hob er die Schultern und schob ihnen mit einem mitleidigen Lächeln die Handflächen entgegen. »Meine Edelgard hebt mir darum immer den DonauKurier auf, während ich drüben bin. Wenn ich zurückkomme, lese ich dann nachträglich chronologisch, was in Ingolstadt und Bayern während der letzten Wochen geschehen ist. Und dabei bin ich gestern auf das Event gestoßen, das Sie zu bearbeiten haben.«
    »Genau, und was können Sie uns jetzt zu diesem, äh, Event sagen, Herr Bracke?«
    »Es ist so, dass ich in China derart eingespannt bin, dass an Freizeit oder Ausgleichssport nicht zu denken ist. Darum nutze ich die Zeit, während ich hier bin, um zu trainieren. Ich fahre Rad. So auch an jenem Samstag. Ich habe nämlich so meine Strecken und meine Points. Und samstags trinke ich immer einen Cappuccino im Donau-Café am Stausee. Danach fahre ich über den Staudamm, dann donauaufwärts und schließlich eine größere Runde zurück nach Hause.«
    »Und was ist an jenem Samstag passiert?«
    »Ich fuhr an dem Hof vorbei, dem ersten von der Donau aus. Da ist es doch passiert, oder? Und aus der Ausfahrt schoss dieser Wagen auf die Straße. High speed und ohne zu schauen. Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte mich voll gecrasht. Steine flogen und Staub wirbelte, es ging gerade noch mal gut.«
    »Was war es denn für ein Wagen?«
    »Ein roter Golf, eine alte Kiste mit einem riesigen Rostfleck hinten links.«
    »Sind Sie sich mit dem Golf sicher?«, hakte Charly nach.
    »Meine Herren, ich bin aus der Automobilbranche, also bitte.«
    Das Kennzeichen des Wagens konnte Herr Bracke allerdings nicht nennen, auch den Fahrer konnte er nicht beschreiben. »Bei dem rasanten Ablauf des Geschehens …« Er betonte nochmals, dass es nur seiner Geistesgegenwart zu verdanken gewesen sei,

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