BAUhERrNOPFER
mehr stattfinden würde und sie die Unterlagen nach dem sechsten Jänner im neuen Jahr abgeben könnte. Dies führt bei Babsi, die unsere Tochter auf dem einen Arm und acht Einreichmappen unter dem anderen trägt, zu einer körperlichen Reaktion, die als Vorstufe zum Wahnsinn gedeutet werden könnte. Offensichtlich deutet die Dame vom Empfang die Mischung aus Verzweiflung und alles zerstörender Wut in Barbaras Blick und die damit verbundene Gefährlichkeit der Situation richtig und bietet umgehend an, die Unterlagen entgegen zu nehmen und gleich in das Bauamt hinaufzubringen. Das Rathaus entgeht seiner Zerstörung durch die Umsicht der Dame an der Information. Sie sollte einen Orden dafür bekommen.
Es ist geschafft. Die Einreichunterlagen liegen nun über die Weihnachtsfeiertage zur Begutachtung am Bauamt der Gemeinde, um, falls es keine weiteren Probleme gibt, spätestens Anfang Februar genehmigt zu werden.
Das letzte Weihnachtsfest
Da wir, wie die meisten Bauherren (und natürlich auch Baufrauen, aber diesen Begriff gibt es de facto eigentlich nicht) planen, die nächsten Weihnachten bereits im neuen Haus zu feiern, nehmen wir dieses Jahr Abschied von unserer Wohnung. Zumindest das letzte dort gefeierte Weihnachtsfest sollte es sein, also muss es ein ganz besonderes Fest werden.
Die Wohnung, die wir im Moment bewohnen ist in einem Jahrhundertwendehaus, was auf den ersten Blick nicht sehr beindruckend klingt, wenn es nicht bereits im 19. Jahrhundert gebaut worden wäre. Damals war es noch nicht üblich die Decken einer Wohnung etwa dreißig Zentimeter höher als die Größe eines durchschnittlichen Menschen anzulegen. Glücklicherweise, denn sonst hätten wir eine Raumhöhe von nur rund zwei Metern.
So spannt sich die Zimmerdecke im Wohnzimmer auf etwas mehr als drei Meter Höhe und wir können einen entsprechend großen Christbaum ins Auge fassen. Mir schwebt ein Baum vor, der erst kurz vor dem Plafond enden sollte. Der nächste Weg führt uns also direkt zu einem Baumarkt mit einer, für den 23. Dezember, riesigen Auswahl an Christbäumen. Auf dem Weg dorthin setzt Babsi mich bei unserem Baustellenauto ab, das wir extra für Transporte um verschwenderische dreihundert Euro kauften. Der Fiat Uno ist ein ehemals smaragdgrüner Traum mit fast 200.000 km am Tacho, aus dem Besitz eines übergewichtigen Kettenrauchers. Kein Duftbaum der Welt würde es schaffen, die abgestandenen Gerüche des Innenraumes zu durchdringen. Aber für unsere Zwecke ist der Wagen ideal, immerhin hat er noch eine Prüfplakette für die nächsten sechs Monate. Bis dahin sollte das Gröbste bereits vorbei sein.
Wir treffen mit zwei Fahrzeugen beim Baumarkt ein und gehen schnurstracks zu dem Außenbereich, wo die Christbäume lagern. Unmengen von Bäumchen mit maximal einem Meter Höhe stehen hier und warten auf Leute mit kleinen Wohnungen, oder zumindest kleinen Ansprüchen, aber von denen spricht mich keiner an. Ich will einen Baum und kein Reisig. Nachdem wir fünf Minuten durch unzählige Reihen mit Bäumen bis zwei Meter Höhe schlendern, kommen wir endlich zu den Bäumen bis drei Meter. Erstaunlicher Weise gibt es in dieser Kategorie eine ziemlich kleine Auswahl, aber das macht nichts, denn ich sehe schon unseren Baum. Er ist mit einem Anhänger versehen, auf dem Nordmanntanne Kat.G 270-300cm steht. Der und kein anderer sollte es sein. Wir lassen uns den Baum von einem Verkäufer genauer zeigen. Buschig und symmetrisch vom Stamm bis zur Spitze. Keine kahle Stelle, der Spitz nur knapp zwanzig Zentimeter hoch. Dieser Baum ist perfekt!
Der Verkäufer bietet uns an, den Baum zur Laderampe zu bringen, da er doch ziemlich groß sei und wir beobachten ihn und zwei weitere Kollegen noch ein Bisschen bei ihren Versuchen unseren Baum in ein Netz zu stecken, bevor wir zur Kasse gehen um zu bezahlen. Sechzig Euro bezahlen wir für diesen Traum von einem Baum. Was stimmt hier eigentlich nicht, solche Bäume kosten doch sonst viel mehr?
Egal, wir konnten den Baum von allen Seiten begutachten und sind zufrieden damit, was sollte also schiefgehen. Wahrscheinlich ist er nur so günstig, weil es unmöglich sein würde einen anderen Käufer bis morgen zu finden.
Mittlerweile warten wir fünfzehn Minuten an der Laderampe und noch immer ist kein Baum in Sicht.
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