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Baustelle Demokratie

Baustelle Demokratie

Titel: Baustelle Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serge Embacher
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haben aber auch historische Wurzeln in der Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Gerade im Umweltbereich hat sich gezeigt, wie stark in relativ kurzer Zeit der zivilgesellschaftliche Einfluss auf staatliches Handeln werden kann. Ohne die Ökologiebewegung gäbe es weder Umweltministerien noch Netzwerke und andere Kommunikationsstrukturen zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren.
    Vom Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Engagement
    In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich ein deutlicher Wandel im Selbstverständnis von Engagierten ereignet, den man mit der Überschrift »Vom Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Engagement« versehen könnte (vgl. auch Embacher / Lang 2010, 22ff. und Härtel / Embacher 2011, 7ff.). In diesem Wandel artikulieren sich Veränderungen in den Interessen, den Motiven und dem Verhalten der Engagierten. Dabei lassen sich drei Kernelemente herausarbeiten:
Solidarität und Selbstverwirklichung: Wer sich heute engagiert, tut dies nicht nur aus altruistischen Gründen. In der Motivation zum bürgerschaftlichen Engagement verschränken sich vielmehr Solidarität und Selbstverwirklichung, Altruismus und Nutzenorientierung. Motive wie »etwas für das Gemeinwohl tun« und »anderen Menschen helfen« stehen gleichrangig neben dem Interesse an Sozialkontakten mit Gleichgesinnten, der Erweiterung eigener Erfahrungen und Kompetenzen sowie auch der Vertretung eigener Interessen oder der Lösung eigener Probleme (vgl. Gensicke / Geiss 2010, 12ff.). Daneben gewinnen Motive des Qualifikationserwerbs sowie der beruflich verwertbaren Vernetzung mit anderen an Bedeutung (vgl. ebd.).
Individualisierung und Pluralisierung: Früher verpflichteten sich die meisten Engagierten langfristig bei einer bestimmten Organisation. Dem Milieu, in dem man als Kind aufwuchs – die Kirchengemeinde, die Partei, der Sportverein oder die Freiwillige Feuerwehr –, blieb man ein Leben lang treu. Mit der Individualisierung und Pluralisierung von Lebenslagen lösen sich die traditionellen Milieus allmählich auf und verlieren ihre soziale Bindekraft. Lebenswege sind heute weniger durch Milieuzugehörigkeit vorgezeichnet als durch (damit verknüpfte) Bildungschancen, durch Geschlechterrollen, individuelle Lebensentscheidungen oder andere Faktoren.
Partizipation und Selbstbestimmung: Während sich die Engagierten früher meist bereitwillig in vorgegebene Organisationsstrukturen einfügten, eröffnet das bürgerschaftliche Engagement heute einen selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Erfahrungs- und Handlungsraum, in dem die eigenen Vorstellungen und Gestaltungsideen ihren Platz finden. Das »alte« Ehrenamt sieht noch immer vor, dass sich der Aktive einer bestehenden Hierarchie unterordnet. Heute gewinnen Mitsprache und Gestaltungskompetenz zunehmend an Bedeutung. Darin zeigen sich die Mitbestimmungsansprüche einer selbstbewusst gewordenen und emanzipierten Bürgerschaft. Fast allen Engagierten ist es heute wichtig, die Gesellschaft durch ihr Engagement mitgestalten zu können (ebd., 12). Bürgerschaftliches Engagement versteht sich also häufig als politisches Engagement, allerdings im weitesten Sinne und ohne partei- oder machtpolitische Absichten.
    An diesen drei Entwicklungslinien – in der Verbindung von Solidarität und Selbstverwirklichung, Individualisierung und Pluralisierung sowie Partizipation und Selbstbestimmung – lässt sich insgesamt eine Bewegung ablesen, in der eine zunehmend dynamische Kultur der Bürgergesellschaft zu einem nicht nur funktionalen, sondern auch politischen Komplement für staatliches Handeln wird. Während das »Ehrenamt« auch in autoritären Gesellschaften funktioniert, braucht das bürgerschaftliche Engagement den demokratischen Rechtsstaat als Grundlage für die Entfaltung bürgerschaftlicher Freiheit und Kreativität. Das bürgerschaftliche Engagement als Handlungsform der Bürgergesellschaft bildet dabei die Grundlage für die Konkretisierung von Freiheitsrechten. Die Entwicklung zeigt insgesamt, dass es einen tief verwurzelten Konsens bezüglich des demokratischen Gemeinwesens gibt, für das man sich – jeder an seinem Ort – einsetzen will. Mehr noch, viele Menschen begreifen dessen Gestaltung zunehmend als ihr eigene Angelegenheit.
    In dieser Hinsicht ist die Bürgergesellschaft eine öffentliche Sphäre, in der durch das Engagement von vielen Menschen Leistungen erbracht werden, die weder Staat noch Wirtschaft erbringen können. Dies wird

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