Baustelle Demokratie
Freiwilligen-Survey erfasst werden, zunächst unspektakulär: Etwa 23 Millionen Menschen sind hierzulande im Sportverein, in der Freiwilligen Feuerwehr, in Kirchen und anderen karitativen Organisationen wie Hospizbewegung und Tafeln, in Selbsthilfegruppen oder Nachbarschaftsinitiativen, in der Kommunalpolitik, in Bürgerinitiativen, Parteien oder Gewerkschaften freiwillig engagiert (zu den Zahlen vgl. Gensicke / Geiss 2010). Das ist immerhin jeder Dritte über 14 Jahre. Die Gruppe der freiwillig Engagierten (Engagementquote) umfasste 1999 34 Prozent der Bevölkerung, vergrößerte sich bis 2004 auf 36 Prozent und stagniert seither. Auch das Engagementpotenzial, also die Gruppe derjenigen, die sich ein Engagement wenigstens vorstellen könnten, hat sich im Laufe der Zeit erhöht: von 26 Prozent 1999 auf 37 Prozent 2009.
Mit 10,1 Prozent war 2009 der Sport der größte Engagementbereich, gefolgt von den Bereichen Schule und Kindergarten sowie Kirche und Religion (jeweils 6,9 Prozent) sowie soziales und kulturelles Engagement (jeweils 5,2 Prozent). Bürgerschaftliches Engagement entfaltet sich unabhängig von konkreten Organisationsformen in einem großen Spektrum von Handlungs- und Betätigungsfeldern (vgl. ebd.). Der größte zivilgesellschaftliche Bereich mit den meisten Aktiven und auch den meisten Organisationen ist der Sport. Es gibt in Deutschland etwa 89.000 Sportvereine. Jährlich werden 3000 bis 4000 neue Sportvereine gegründet. Fast sieben Millionen Menschen sind im Sportbereich bürgerschaftlich engagiert, sind also nicht nur Mitglieder, sondern betätigen sich aktiv als Trainer in der Jugendarbeit oder im Vereinsvorstand. Das Sportvereinswesen in Deutschland wächst stetig weiter.
Das sind nur einige wenige Schlaglichter, um die Situation zu illustrieren. Insgesamt lässt sich seit vielen Jahren ein Wandel innerhalb des Engagements beobachten. Während das langfristige Engagement in klassischen Bereichen wie der Freiwilligen Feuerwehr unter Nachwuchsproblemen leidet, verzeichnen neuere Engagementformen, etwa in Selbsthilfegruppen, Tafeln und der Hospizbewegung, starke Zuwächse. Die Organisationsformen der freiwilligen Tätigkeiten finden sich 2009 zu 47 Prozent im Verein, zu 14 Prozent in der Kirche oder anderen religiösen Einrichtungen, zu 9 Prozent in staatlichen oder kommunalen Einrichtungen, zu 13 Prozent in Selbsthilfegruppen oder Initiativen, zu 7 Prozent in Verbänden, zu 7 Prozent in privaten Einrichtungen (z.B. Stiftungen) sowie zu 3 Prozent in Parteien und Gewerkschaften.
Der soziale Bereich spielt im bürgerschaftlichen Engagement – obwohl ja gerade hier stets der »soziale Kitt« verortet wird – quantitativ keine herausragende Rolle. Das eigentliche Gewicht des Sozialsektors liegt bei den hauptamtlich Beschäftigten. Allein die Verbände und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege beschäftigen in etwa 73.000 Einrichtungen (der Altenhilfe, Behindertenhilfe, Jugendhilfe usw.) insgesamt 750.000 Personen. Mindestens die gleiche Anzahl arbeitet in staatlichen und kommunalen Diensten, in kirchlichen Einrichtungen und gemeinnützigen Projekten außerhalb der traditionellen Organisationen.
Im Kulturbereich sind etwa drei Millionen Menschen bürgerschaftlich engagiert – als Chorleiter in einem der 60.000 Chöre, im Laientheater, als Ehrenamtliche in Kunst- und Kultureinrichtungen und kommunalen Bibliotheken oder in Stiftungen. Ein besonderer Typus von Aktivitäten und Organisationen befindet sich an der Schnittstelle zwischen Kultur, Bildung und Sozialem. Zu nennen sind hier beispielsweise soziokulturelle Zentren, die nicht nur Raum für kulturelle Projekte, sondern auch Orte der interkulturellen oder sozialen Begegnung sein wollen, oder auch Organisationen zur außerschulischen, kulturpädagogischen Kinder- und Jugendarbeit, zur Pflege der Stadtteilkultur als Mittel der Stadtentwicklung.
Engagement im Umwelt- und Naturschutz gibt es in vielen Organisationsformen. Insgesamt 1,3 Millionen Menschen arbeiten ehrenamtlich in lokalen Umweltgruppen, in Schulprojekten oder in den bekannten nationalen und internationalen Umweltorganisationen (Greenpeace, BUND, NABU, WWF etc.). Der Umweltbereich bildet neben der Entwicklungszusammenarbeit und den Menschenrechtsorganisationen das wohl wichtigste Betätigungsfeld von Nichtregierungsorganisationen. Die meisten Umweltorganisationen in Deutschland gehen zurück auf die Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er- und 1980er-Jahre,
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