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Baustelle Demokratie

Baustelle Demokratie

Titel: Baustelle Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serge Embacher
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Bürgergesellschaft soll Freiheit Verantwortung erzeugen. Das Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein werde in dem Maße steigen, wie der Staat sich zurückzieht. Mehr Eigenverantwortung bedeutet vor allem weniger Staat. Was der Freiheit dient, ist Hilfe zur Selbsthilfe im Sinne von Aktivierung und Ansporn. Was ihr schadet, ist staatliche Versorgung und Verantwortungsübernahme durch staatliche Stellen.
    Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft wird in diesem Szenario wie folgt beschrieben: In dem Maße, wie staatliches Handeln dominiert, drängt es bürgerschaftliches Engagement zurück und verhindert die Entfaltung bürgerlicher Freiheit. Umgekehrt gilt, dass ein Rückzug des Staates vor allem auf den Feldern der Gesellschafts- und Sozialpolitik bürgerschaftliches Engagement erstarken lässt. Die Bürgergesellschaft soll staatliches Handeln ersetzen, wo immer dies möglich ist. Staatliches Handeln soll grundsätzlich nur dort stattfinden, wo Bürgerinnen und Bürger ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können. Solche programmatischen Aussagen finden sich durchgehend in den Programmen der konservativ-liberalen Parteien in Deutschland (vgl. CDU 2007, CSU 2007, FDP 1997).
    Der aus der bürgerlichen Tradition stammende Impuls privater Freiheit, der das Modell der liberalen Bürgergesellschaft bestimmt, entspricht dabei sicher dem Grundmodus der modernen Gesellschaft, die sich im Milieu einer Kultur der Freiheit täglich weiterentwickelt. Insofern ist das Modell durchaus nicht unplausibel und dient der kritischen Überprüfung von Staatstätigkeit, die ja unbestreitbar Entfremdungs- und Bürokratisierungseffekte mit sich bringt. Im liberalen Konzept der Bürgergesellschaft geht es darum, die Reichweite und Tiefe staatlicher Eingriffe in gesellschaftliches Handeln zu hinterfragen. Hier liegt seine Stärke, denn es kritisiert die staatliche Kultur des Regulierens im Interesse einer gesellschaftlichen Kultur privater Freiheit.
    Andererseits aber muss man doch sehr in Frage stellen, ob die dem Modell der liberalen Bürgergesellschaft zugrunde liegende Diagnose zutreffend oder hinreichend ist. Existieren die angeprangerte »Gefälligkeitspolitik« und der sogenannte Versorgungsstaat nicht doch nur in den Köpfen einer selbst ernannten »Elite«, die in der Regel über keine authentischen Kontakte zur Lebenswelt der Benachteiligten und Ausgeschlossenen verfügt? Die Behauptung, die Gefährdung der sozialen Sicherungssysteme sei die Folge eines ausufernden Wohlfahrtsstaates, ist mittlerweile hinreichend widerlegt. Nicht zuletzt muss kritisch hinterfragt werden, was – außer Sozialstaatsabbau – der Ruf nach weniger Staat und mehr Eigenverantwortung konkret bedeuten soll.
    Das Konzept der liberalen Bürgergesellschaft leidet, so lässt sich resümierend festhalten, an einer stark holzschnittartigen Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft. Die Alternative Staat oder Gesellschaft entspricht – vor allem in den von den Protagonisten häufig vorgetragenen Plattitüden vom trägen und bürokratischen Versorgungsstaat – nicht dem Komplexitätsgrad moderner Gesellschaften, in denen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in vielfältiger Weise miteinander verflochten sind und einander durchdringen. Wer einerseits vom »schlanken Staat« fabuliert, andererseits aber selbst zahlreiche öffentliche Ämter in demselben Staat besetzt und zudem dafür sorgt, dass privatwirtschaftliche Aktivitäten massiv mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden, der ist mit seinem Anliegen nicht sehr glaubwürdig.
    Solidarische Bürgergesellschaft
    Die Idee der solidarischen Bürgergesellschaft steht in der Traditionslinie der sozialen Demokratie. Solidarisch heißt das Konzept deshalb, weil hier das menschliche Streben nach gesellschaftlichem Zusammenhalt im Vordergrund steht, das sich in wechselseitiger Hilfsbereitschaft sowie der gemeinsamen Definition und Verfolgung von Gemeinwohlinteressen äußert. Es ist in der öffentlichen Diskussion nicht so prominent vertreten wie das liberale Konzept, vermutlich weil es weniger spektakulär ist als die Forderung nach weniger Staat (vgl. u.a. Hradil 1996, Klein 2001, Meyer 2005). Bei der Idee einer solidarischen Bürgergesellschaft steht weniger die Staatskritik im Vordergrund als vielmehr die Frage, wie sich staatliches Handeln zur Bürgergesellschaft ins Verhältnis setzen soll. Man setzt weiterhin auf den Wohlfahrtsstaat, sieht aber auch die Notwendigkeit seiner Veränderung unter dem

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