Baustelle Demokratie
vorgetragenen liberalistischen Idee von Bürgergesellschaft. Sie wird schlicht dazu benutzt, staatliche Sparprogramme notdürftig ideologisch zu ummanteln.
Die Engagementstrategie
Das Bundeskabinett hat am 6. Oktober 2010 die »Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung« verabschiedet (vgl. BBE 2010b). Diese Strategie verfestigt den Eindruck, dass es der »bürgerlichen« Regierung nicht um den Bürger als demokratiefähiges Wesen und damit um Demokratiepolitik, sondern um Indienstnahme der Bürgergesellschaft geht. Der Citoyen soll auf das Maß des helfenden Dienstleisters zurückgestutzt werden.
Dies wird bereits in der Formulierung der Strategieziele deutlich. Statt grundlegend das Verhältnis von Staat und Gesellschaft und damit auch die Frage zu thematisieren, wie sich eigentlich das Gemeinwohlinteresse und damit verbunden der Begriff der Gemeinnützigkeit adäquat verstehen lassen, beschäftigt man sich mit technischen Fragen einer besseren Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Statt sich ernsthaft mit den Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement in Deutschland auseinanderzusetzen, favorisiert die Strategie in unkonkreter Diktion Partnerschaften mit Unternehmen und Stiftungen – dies in der kaum verhohlenen Absicht, hier auch materiell potente Partner mit ins Boot zu holen.
Was die Strategie der Bundesregierung vor allem zum Ärgernis im Feld der Zivilgesellschaft hat werden lassen, ist der Umstand, dass sie sich im Dickicht eines Sammelsuriums von Einzelmaßnahmen verliert. Zum großen Teil wurden einfach Projekte aufgelistet, die ohnehin bereits realisiert werden und die irgendwie in einen Zusammenhang mit Engagementpolitik gerückt werden können: So findet sich auf dieser Liste die Unterstützung der Bürgerhaushalte in den Kommunen durch die Bundeszentrale für politische Bildung (BBE 2010b, 14) oder ein Hinweis auf den begrüßenswerten Einsatz von Zuwanderern als Migrationslotsen (ebd., 12). Oder es wurde aufgelistet, was welches Bundesministerium an Projekten zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements betreibt oder zu betreiben beabsichtigt. Echte strategische Elemente – also konkrete Ziele und verbindliche Schritte dorthin – sucht man hingegen vergebens.
Was noch 2009 im schwarz-gelben Koalitionsvertrag an engagementpolitischen Zielen formuliert wurde, scheint bereits in Vergessenheit geraten zu sein: Weder das Problem der Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement noch Fragen des Zuwendungsrechts oder der Arbeitsmarktpolitik im Zusammenhang mit dem Engagement werden thematisiert. Und auch die von der Koalition beabsichtigten Punkte »Gesetz zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements« und »Nationaler Engagementförderplan« bleiben außen vor. Das Engagementfördergesetz war als ein Artikelgesetz angedacht, mit dessen Hilfe die Engagementförderung und -unterstützung systematisch aufgestellt werden sollte. Ein solches Gesetz würde zuwendungsrechtliche Regelungen, aber auch eine systematische Förderstrategie für die lokale Infrastruktur für Engagement und andere zentrale Themen und Regelungsbereiche enthalten. Und schließlich würde ein Engagementförderplan vorsehen, welche Förderungen das Engagement auf welcher Ebene (Bund, Länder, Kommunen) erhält, und auf dieser Basis dazu beitragen, die Förderung zu systematisieren und effektiv zu gestalten. Nichts von alledem kommt in der Nationalen Engagementstrategie vor.
Unter diesen Umständen mag es nicht verwundern, dass das Vertrauen in die Ernsthaftigkeit und Seriosität von Engagementpolitik auf der Strecke bleibt. Schmerzlich fehlen die grundlegenden Ansätze der Enquete-Kommission des Bundestages – Stärkung der Zivilgesellschaft als autonome Handlungssphäre sowie ein passend dazu renoviertes Staatsverständnis (vgl. zum Folgenden Embacher 2011b). Nach knapp zweieinhalb Jahren schwarz-gelber Bundesregierung zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements hier nicht das demokratische Gemeinwesen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, sondern konsequent staatlichen Zwecken dienen soll. Nicht, dass die Akteure des federführenden Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) dies offen bekunden würden. So funktioniert Politik nicht! Doch viele einzelne Schritte deuten unverkennbar in diese Richtung. Beinahe alles, was in der Fachwelt seit vielen Jahren diskutiert wird – also etwa die
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