Baustelle Demokratie
Stärkung von Bürgerbeteiligung und Partizipation oder auch der dringend nötige Ausbau der kommunalen Infrastruktur für Engagement – wird weitgehend ignoriert oder gar revidiert zugunsten einer quasi-hypnotischen Konzentration auf die Strukturen des Ehrenamtes und seine Rolle im »Wohlfahrtsmix«. In den Schreibstuben des BMFSFJ hat man sich auf eine leise Rhetorik eingespielt, mit der stets der Wert des Ehrenamts und der ehrenamtlichen »Helfer« hervorgehoben wird; dies immer verbunden mit dem Hinweis, dass die Engagierten in ihrer großen Mehrheit angeblich unpolitisch seien, weshalb es nicht darum gehen könne, Engagementpolitik als Demokratiepolitik zu verstehen. Vielmehr solle die Bürgergesellschaft einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben leisten (vgl. BBE 2010b, 7).
Auf diese Weise wird nicht nur der Eigensinn des bürgerschaftlichen Engagements unterlaufen, sondern auch seine gesellschaftspolitische Dimension unterschlagen. Das bürgerschaftliche Engagement als Ausdruck der moralischen Substanz von Bürgerinnen und Bürgern ist eine genuin demokratische und damit politische Aktivität, was freilich ausgeblendet bleiben muss, wenn man unter Politik lediglich Parteipolitik oder die verfasste Politik in Parlament und Regierung versteht. Die Enquete-Kommission hatte aber genau diese gesellschaftspolitische Dimension vor Augen, als sie das bürgerschaftliche Engagement einprägsam als freiwillig, unentgeltlich, gemeinwohlorientiert und öffentlich wirksam definiert hat. Ja, der Begriff des bürgerschaftlichen Engagements selbst wurde von der Enquete allein deshalb gewählt, weil das genuin Gesellschaftspolitisch-Demokratische am Engagement – seine spezifisch bürgerschaftliche Dimension – darin zum Ausdruck kommt.
Auch die Engagementstrategie der Bundesregierung wurde zunächst noch vor dem Hintergrund dieses gesellschafts- und demokratiepolitischen Kerngedankens einer modernen Engagementpolitik verortet. Während der Großen Koalition 2005 bis 2009 als engagementpolitischer Meilenstein auf die Spur gesetzt und fachlich vor allem vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) begleitet, wird das Vorhaben jetzt mehr und mehr »heruntergekocht«. Die zuständigen Beamten der Ministerialbürokratie behandeln die Engagementstrategie heute wie eine Art Verwaltungsverordnung zur besseren Abstimmung zwischen den Ressorts der Bundesregierung sowie zwischen Bund und Ländern.
So war sie aber nicht gedacht, wie es ein Blick auf die Vorgeschichte zeigt. Im Jahr 2009 wurde vom BBE mit dem Nationalen Forum für Engagement und Partizipation (NFEP) ein Projekt entwickelt, das den Anspruch, Engagementpolitik vor allem als Demokratiepolitik zu gestalten, mit Leben füllen sollte. Das NFEP hat knapp zwei Jahre lang die relevanten Diskussionen im Feld der Zivilgesellschaft gesammelt und gebündelt, um sie in Form von Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung weiterzuleiten. In insgesamt 16 sogenannten Dialogforen mit Vertretern aus Staat, Wirtschaft und Bürgergesellschaft wurden Empfehlungen zu Themen wie Reform des Zuwendungs- und Gemeinnützigkeitsrechts, Bildung und bürgerschaftliches Engagement, Arbeitsmarktpolitik und Engagement, unternehmerisches Engagement (Corporate Citizenship), Zukunft der Freiwilligendienste und Infrastruktur für Engagement mit dem Ziel der Entwicklung einer »Nationalen Engagementstrategie« erarbeitet (zu den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen s. BBE 2009 und 2010a). Auf dem Weg zu dieser Engagementstrategie sollten politische Themen und Innovationen mit einem neuen Beratungsansatz kombiniert werden: mit einem Dialog »auf Augenhöhe« zwischen Vertretern aus Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Genau für diese Idee wurde das NFEP von der Bundesregierung gefördert. Leider ist am Ende weder vom neuen Beratungsansatz noch von den erarbeiteten Handlungsempfehlungen viel übrig geblieben.
Der Beratungsansatz sah im Kern vor, dass die Ressortabstimmung der Bundesregierung durch die Dialogforen des NFEP begleitet werden sollte. So sollten beispielsweise bei der Reform des Zuwendungsrechts Vertreterinnen und Vertreter des Staates (also der Bundesministerien und des Bundesrechnungshofs) und der Zivilgesellschaft (zum Beispiel des Bündnisses für Gemeinnützigkeit oder aus Stiftungen), aber auch der Wirtschaft gemeinsam an einem Tisch sitzen und auf der Basis eines Arbeitspapiers über Möglichkeiten und Schritte einer solchen Reform
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