Baustelle Demokratie
diskutieren und entsprechende politische Schritte »aushandeln«. Der demokratiepolitische Charme dieses Konzepts bestand vor allem darin, gesellschaftliche Einflüsse und Interessen transparent zu machen und damit zu legitimieren. Engagementpolitik sollte nicht – wie sonst in der Politik üblich – in informellen Kreisen, sondern sozusagen coram publico formuliert und diskutiert werden. Betroffene zu Beteiligten machen – diese politische Maxime sollte im Prozess der Politikformulierung selbst wenigstens ansatzweise beherzigt werden.
Dieses Modell ist auf der ganzen Linie gescheitert. Zwar gab es zunächst vielversprechende Ansätze und eine allseitige Bereitschaft, sich gemeinsam auf die Suche nach zentralen Elementen für eine Engagementstrategie zu begeben. Doch wurde im Laufe des Verfahrens immer deutlicher, dass die Regierung nicht ernsthaft an einer solchen kooperativen Engführung des Aushandlungsprozesses interessiert war. Im Zweifel überwog das Bedürfnis nach Prozesskontrolle, welches darin gipfelte, dass die Rolle der Dialogforen als begleitende Gremien der Ressortabstimmung kurz vor Beginn des Prozesses einseitig vom BMFSFJ abgesagt wurde, woraufhin die meisten Ressorts der Bundesregierung ihre Leute abzogen beziehungsweise ihnen auftrugen, keine verbindlichen Aussagen zu machen. Die mit großem organisatorischem Aufwand und engagementpolitischer Expertise vorbereiteten Dialogforen wurden damit zu unverbindlichen Gesprächsrunden herabgestuft. Das Problematische dieser Vorgehensweise wurde noch dadurch vergrößert, dass hinterher Regierungsvertreter behaupteten, von einer Begleitung der Ressortabstimmung durch die Dialogforen des NFEP sei nie die Rede gewesen.
Dieses kontrollinduzierte Eingreifen in ein laufendes Partizipationsverfahren war besonders geeignet, das Vertrauen der zivilgesellschaftlichen Akteure, aber auch der beteiligten Unternehmen zu erschüttern. Die Botschaft ist engagementpolitisch verheerend. Sie lautet: Politik lässt sich am besten durch stilles Einwirken im Verborgenen beeinflussen. Öffentliche Foren eignen sich nicht zur Formulierung von politischen Zielen und Strategien. Diese »Erkenntnis« wurde im Feld verstanden. Jetzt ist wieder alles wie zuvor: Die großen Verbände der Zivilgesellschaft nutzen ihre informellen Kanäle, der Staat hat die Akteure diskursiv unter Kontrolle, und die Unternehmen suchen nach eigenen Wegen, sich in der Bürgergesellschaft zu engagieren. Nur die vielen Millionen freiwillig Engagierter in Deutschland schauen am Ende »in die Röhre«. Für sie hat sich überhaupt nichts zum Besseren verändert. Vielmehr wurde der schier unendlichen Geschichte der Politikverdrossenheit ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Das Muster ist einfach und bekannt: Eine Marke ohne Inhalt – Nationale Engagementstrategie – wurde in die Welt gesetzt: eine Engagementstrategie ohne strategische Engagementpolitik.
Das Ende der Episode geht so: Die zahlreichen Handlungsempfehlungen, die in den Dialogforen des NFEP dennoch erarbeitet wurden, fanden am Ende in der Engagementstrategie kaum Niederschlag (vgl. BBE 2010b, 137ff.). Vor allem in den zentralen Bereichen – Reform des Zuwendungsrechts, Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement und Erwerbsarbeit beziehungsweise Arbeitsmarktpolitik und Engagement – wurden die Empfehlungen des NFEP weitgehend ignoriert. Stattdessen wurde ein gewichtiger Schwerpunkt der Strategie auf die Kooperation mit Stiftungen und Bürgerstiftungen gelegt, welche in den zahlreichen Vorbereitungsgesprächen seitens der Bundesregierung kaum erwähnt worden war. Es wurden also ausgerechnet diejenigen zivilgesellschaftlichen Akteure in den Mittelpunkt der Engagementstrategie gerückt, von denen keineswegs ausgemacht ist, dass sie unbedingt die federführenden Akteure einer auf Transparenz, Offenheit und Responsivität gegründeten Engagementpolitik sein könnten oder sollten (vgl. Sandberg 2011a und b). Unabhängig von dieser einsamen Entscheidung der Bundesregierung ist der eklatanteste Mangel die Verweigerung der Kommunikation. Die weitgehende Ignoranz des BMFSFJ gegenüber dem Beratungsprozess des NFEP wiegt besonders schwer, weil sie ohne Begründung erfolgt ist. Damit wurde – neben der oben dargestellten Änderung eines laufenden Partizipationsverfahrens – eine zweite Erfolgsbedingung für Beteiligungsverfahren unterlaufen: Transparenz und Begründung. Warum die Reform des Zuwendungsrechts und die Infrastrukturfragen
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