Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
gefordert. Ich glaube, man kann guten Gewissens sagen, die Menschen haben genug vom Krieg und seinen Auswirkungen. Jeder von uns wurde durch diesen Konflikt auf die eine oder andere Weise berührt, von einem Ende des Imperiums bis zum anderen, vom Zentrum hier bis hin zu den entlegensten Welten in den Neuen Territorien. Daher erscheint es mir als rechtmäßig gewählter Vertreter dieser kriegsmüden Menschen nur vernünftig, dass wir den Feindseligkeiten so schnell wie möglich ein Ende bereiten. Ich weiß …«
Er hob abwehrend die Hände, als im Saal Gemurmel aufkam.
»… ich weiß, manche Abgeordnete sind nicht so leicht zu einem Friedensschluss zu bewegen, da sie an die Doppelzüngigkeit der Zor und daran denken, mit welcher Hartnäckigkeit sie gegen unsere entlegenen Basen vorgegangen sind. Ihnen sage ich, es ist unsere Pflicht als menschliche Wesen, stets nach Frieden zu streben, selbst wenn wir dafür unseren eigenen Stolz überwinden müssen. Wir sollten bereit sein, über einen Frieden zu sprechen, Herr Vorsitzender, vor allem wenn sich der Feind an uns wendet und darum bittet, wie es vor fast einem Monat geschah. Wir hatten immer ein offenes Ohr für die Zor. Aber wie viele von Ihnen bereits wissen, hat diese Regierung …«
Er deutete auf das Podest.
»… diesmal die Ohren verschlossen. Anstatt mit unseren Feinden zu verhandeln und auf deren dringende Bitte nach einem neuen Frieden zu reagieren, sind wir arrogant darüber hinweggegangen. Anstatt Frieden zu schaffen, haben wir begonnen, nur noch mehr Blut zu vergießen. Die Schuld für diese kriegerische Haltung ist vor allem bei dieser Regierung zu suchen, auch unter der Führung der derzeitigen Premierministerin, vor allem aber unter der ihres Amtsvorgängers. Doch viele tragen diese Schuld mit, auch wir hier in der Versammlung, Herr Vorsitzender. Denn wir haben zugelassen, dass es so weit kommen konnte. Ich stehe vor Ihnen und schäme mich, Diener dieses Sol-Imperiums zu sein. Wir alle sollten uns schämen.«
Er trank einen Schluck Wasser und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen, als wolle er sehen, welche Wirkung er bislang erzielt hatte.
»Es wäre bereits ein trauriger Moment für unser geliebtes Imperium, wenn wir nur zur Kenntnis nehmen müssten, dass unsere Regierung sich weigert, Friedensverhandlungen zu führen, und stattdessen weiter einen mörderischen Feldzug gegen den Feind führt.«
Sein Blick ging zu Julianne Tolliver, die ihre Wut nur mit Mühe beherrschte. Einen Moment lang sah sie ihm in die Augen.
»Aber das ist noch längst nicht das Schlimmste, womit wir konfrontiert werden. Denn die Regierung hat alle Versuche blockiert, sich von ihrem barbarischen Kurs abbringen zu lassen. Zivile Ziele werden angegriffen, Gefangene werden nicht gemacht und so weiter und so fort. Doch viel schwerer wiegt, dass diese Regierung sich nicht zu der Tatsache bekennt, dass sie die Kontrolle über die Flotte verloren hat! Irgendwo jenseits der Neuen Territorien, vielleicht bei A’anenu, vielleicht sogar jenseits der Antares-Verwerfung führt die Imperiale Flotte – entgegen den ausdrücklichen Befehlen Seiner Imperialen Majestät, Herr Vorsitzender – ihre eigene Version dieses Krieges fort. Die Flotte wird in Kürze ein ganzes Volk ausgelöscht haben, damit das Zor-Problem ein für alle Mal gelöst ist. Das Blut, das dann an unseren Händen klebt, werden wir niemals … niemals! … abwaschen können. Wie konnte das geschehen? Wieso sind wir Teil dieser unkontrollierbaren Gewaltakte geworden?«
Wieder machte er eine Pause, als müsse er seine Kräfte sammeln.
»Heute kommen wir unter dem wachsamen Blick unseres Regenten zusammen, aber wir handeln auch in der Tradition unseres ersten Imperators Willem I.« Er hielt kurz inne, dabei zeigte er auf das Ölgemälde des Gründers dieses Imperiums, der in seiner Admiralsuniform mit Kranz und Zepter glanzvoll aussah. »Der Mann, der vor eineinhalb Jahrhunderten das Sol-Imperium gründete, war unser ursprünglicher Held, unser erster großer imperialer Führer, der uns Gerechtigkeit und Gesetze gab. In einer Zeit voller Konflikte und Unruhen einte er die Menschheit, er machte die Reiserouten im All sicher für den Handel und für private Reisen, und er ermutigte uns, in die Ausweitung der Einflusssphäre der Menschheit zu investieren. Keine hundert Jahre waren nötig, damit Seine Imperiale Hoheit Willem, Gründer des Imperiums und des Imperialen Hauses, vom Sterblichen zur Legende wurde. Ich
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