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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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sie sich mit Händen und Füßen zur Wehr gesetzt, dann wäre das verständlich gewesen – auch der Versuch, unsere Schiffe zu vernichten oder zumindest ihre eigenen Schiffe und ihre Ausrüstung zu zerstören, um zu verhindern, dass wir in deren Besitz gelangen. Nichts dergleichen geschah.«
    »Sie ließen sich einfach von uns töten«, warf Sharon MacEwan ein. Ihre Miene war geprägt von … Wut? Enttäuschung? Sergei wusste nicht, wie er den Ausdruck deuten sollte, sah aber, dass MacEwan selbst ebenfalls verwirrt war, was ihre Reaktion anging.
    »Führen Sie das bitte aus«, sagte Sergei.
    »Sie haben nicht das Feuer auf uns eröffnet, sie ergaben sich nicht, ihre Schiffe sind ausgewichen. Sie versuchten nicht mal, uns zu rammen. Sie … ließen sich einfach von uns töten. Als hätten sie ihren Tod geplant, und unser Eintreffen hätte ihnen einen guten Vorwand geliefert.«
    »Sehen Sie das auch so, Yuri?«
    »Commodore.« Okome lehnte sich nach hinten und verschränkte die Arme. Er zog seine linke Augenbraue hoch, als hätte sie ein Eigenleben entwickelt. »Wie Ihnen bekannt sein dürfte, habe ich einen Bericht über die Reaktion in der Schlacht auf das Durchbrechen von Abwehrfeldern erstellt.«
    »Standardlektüre für jeden Frontoffizier, Yuri. Fahren Sie fort.«
    »Aye, Sir.« Okome entspannte sich ein wenig. »Wenn nur wenig Zeit verfügbar ist, um eine Entscheidung zu treffen, gibt es für den Captain eines Schiffs, dessen Abwehrfeld erfolgreich durchbrochen worden ist, nur eine Reaktion, die in mehr als fünfzig Prozent aller Fälle zu einem positiven Ergebnis führt: ein radikaler Kurswechsel. Die Analysen haben ergeben, dass abrupte Manöver oftmals die Feldgeometrie genügend verändern, um eintreffenden Beschuss abzuleiten. In mindestens zwei Fällen haben sich feindliche Schiffe genau entgegen dieser Praxis verhalten. Anstatt den Kurs so zu ändern, dass die Energie abgelenkt wird, gingen diese Schiffe auf einen Kurs, der den Effekt noch verstärkte und unvermeidlich zur Zerstörung führte. Ich habe diese Vorfälle dokumentiert.« Über dem Tisch tauchten Symbole auf, die Logbucheinträge markierten.
    »Während des Rücksprungs sah ich mir unsere Fluglogbücher etwas genauer an, und ich glaube, ich konnte drei oder vier andere Fälle entdecken, in denen diese Selbstmordmanöver vollzogen wurden, aber keinen Erfolg hatten. Ich kann Captain MacEwan nur beipflichten, ganz zweifellos. Mein Leben lang habe ich gegen die Zor gekämpft und den Feind analysiert, aber was ich in den letzten Tagen erlebt habe, lässt sich keiner bekannten Theorie zuordnen.«
    »Meine Familie dient seit Jahrhunderten im Militär«, erklärte Sharon MacEwan einen Augenblick später. »Das hier widerspricht all unserer Erfahrung. Das hat es in sechzig Jahren Krieg mit den Zor noch nie gegeben.«
    »Mich irritiert das Verhalten, weil es keinen Zweck erfüllt.« Okome legte die Finger aneinander. »Wenn Sie so wollen, ist dieser Krieg ein großes, komplexes Brettspiel. Schafft man bestimmte Bedingungen oder bringt man seine Spielfiguren in bestimmte Konfigurationen, kommt es zu Ereignissen, die sich auf den Verlauf des Spiels auswirken. Manchmal ist es notwendig, einen Spielstein zu opfern, um den Feind in eine Falle zu locken oder um ihn von einem Ziel abzulenken, das man selbst will.«
    Okome beugte sich vor; sein eindringlicher Blick und seine zusammengezogenen Augenbrauen ließen ihn düster wirken. »Es bewegt sich im Rahmen bekannter Parameter, wenn man davon ausgeht, dass die Zor Spielsteine opfern. Das haben sie schon anderswo getan. Bei A’anenu waren sie kurz davor. Es diente auch einem Zweck, die Orbitalbasis zerstören zu wollen, weil sie uns damit einen Stützpunkt für unsere Truppen genommen hätten. Doch bei drei Begegnungen seit der Einnahme von A’anenu erleben wir Zor-Schiffe, die buchstäblich darauf warten, von uns abgeschossen zu werden. So wie ein Herdentier darauf wartet, von einer fleischfressenden Bestie zerfetzt zu werden. Ich glaube, meine Kollegin« – er deutete auf MacEwan – »ist über diese Handlungsweise so irritiert, weil sie nicht in ihr Bild vom Krieg passt. Ich bin irritiert, weil ich sie einfach nicht verstehen kann.«
    MacEwan wollte ihrem Gegenüber schon etwas an den Kopf werfen, doch Sergei kam ihr zuvor. »Ich möchte Sie etwas fragen: Wenn Sie glauben, dass sie unbedingt vernichtet werden wollten, warum kapitulierten sie dann nicht einfach?«
    »Ich glaube, das ist für sie nicht

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