Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
fällt. Ich schätze, ich werde ihn begleiten, wenn er damit einverstanden ist.«
»Sie wollen nach Zor’a gehen?«
Sergei lächelte halbherzig. »Ich glaube, im Sol-System werde ich nicht sehr beliebt sein. Ja, ich würde nach Zor’a gehen. Und wenn Gras über diese Angelegenheit hier gewachsen ist, kehre ich vielleicht als Besucher zurück.«
»Sie haben Ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet, die Zor zu vernichten, und jetzt wollen Sie bei ihnen leben.«
»Admiral Marais hat der Menschheit den größten Sieg aller Zeiten beschert, ohne dafür die Zor auslöschen zu müssen. Und als Belohnung wird er zum Schurken abgestempelt und zum Ziel von Mordanschlägen gemacht. Die anderen werden allen Ruhm einstecken, Alyne. Diese Heuchler in der Imperialen Versammlung, der Imperator auf Oahu. In hundert Jahren werden sie der Menschheit den größten Sieg geschenkt haben, nicht Admiral Marais. Und das alles nur, weil er keinen Verrat begehen will. Weil er nicht den Imperator stürzen will. Wir alle, die wir wissen, dass er das Richtige tut, werden deshalb ins Exil geschickt, wenn wir Glück haben. Wir waren zu mutig, um feige zu sein.«
»Sie zeichnen ein ziemlich zynisches Bild, Sir.«
»Können Sie es mir verübeln?«
»Nein«, räumte sie ein. »Nein, das kann ich nicht.« Sie schaute hinauf zu den Sternen und betrachtete die Konstellationen, die ihr irgendwie fremd und ungewohnt erschienen.
In der imperialen medizinischen Einrichtung in Dakar herrschten strengste Sicherheitsvorkehrungen. Eine erschöpfte Forensikerin verließ den OP-Saal, während Captain Smith dastand und versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu deuten.
»So etwas habe ich noch nie gesehen. Jeder Teil dieses Körpers war von innen nach außen gekehrt worden, jedes Organ, jeder Knochen, alle Nerven, Muskeln und Adern wurden umgestülpt. Vermutlich trat der Tod sofort ein, aber garantieren kann ich das nicht. Wenn nicht, dann …« Sie betrachtete ihre Hände, die noch immer in den Einweghandschuhen steckten, die mit dem Leichnam in Berührung gekommen waren.
»Konnten Sie den Toten identifizieren?«
»Wir haben die Röntgenbilder der Zähne verglichen«, erklärte die Ärztin. »Es war nicht ganz einfach, da der Kiefer ebenfalls von innen nach außen gedreht worden war. Nachdem wir aber einen Weg gefunden hatten, die ursprüngliche Position der Zähne zu errechnen, konnten wir ihn auch identifizieren.« Sie nahm einen tragbaren Reader von ihrem Gürtel und reichte ihn Smith.
Der nahm ihn und betrachtete erst die forensischen Daten, dann die entsprechende Identifizierung: eine Personalakte des Imperialen Geheimdienstes.
Violet.
Der Schock war so heftig, dass er fast den Reader hätte fallen lassen. Dass der Tote der Mann war, den er hinter allem vermutet hatte, war eine Erkenntnis, die ihn völlig unvorbereitet traf. Smith dachte an den entsetzlich zugerichteten Leichnam, erinnerte sich daran, wie er in diesem Hochhausapartment auf ihn gestoßen war. Wenn er sich die Größe des Toten vor Augen hielt, dann passte sie zu Violets Statur.
»Ich sollte so was eigentlich nicht sagen«, meinte die Ärztin, als Smith ihr den Reader zurückgab. »Aber ich möchte zu gern den Dreckskerl von Special Ops in die Finger bekommen, der sich diesen Trick ausgedacht hat.«
»Es war keiner von uns.«
»Aber …«
»Sie haben ganz Recht: Sie sollten so was eigentlich nicht sagen.« Smith war weder willens noch fähig, sich weiter mit ihr zu unterhalten. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging fort.
»Ich möchte die Verteidigung, die Anklagevertretung und alle anderen Mitglieder dieses Gerichts bitten, die recht ungewöhnlichen Umstände dieses Prozesses zur Kenntnis zu nehmen, ehe wir mit dem Verfahren beginnen. Wir dürfen uns keine Illusionen machen, was die Bedeutung dieses Verfahrens angeht, und wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es absolut erforderlich ist, die Wahrheit herauszufinden und Gerechtigkeit walten zu lassen.«
McMasters ordnete mehrere Ausdrucke vor sich auf dem Tisch, dann faltete er die Hände.
»Commander Aronoff, Sie dürfen fortfahren und die endgültigen Anschuldigungen gegen den Angeklagten vortragen.«
Aronoff erhob sich. Er wirkte nicht mehr ganz so abgebrüht wie im Gerichtssaal auf der Erde. Der Attentatsversuch und die anschließenden Ereignisse hatten ihm ganz offensichtlich zu schaffen gemacht – genauso wie die Zustimmung des Kriegsgerichtsrats, den Gerichtsort nach Grimaldi zu verlegen. Doch wie es aussah, war
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