Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
angriffsfähig zu sein.«
McMasters lehnte sich nach hinten und nippte an seinem Drink, dann legte er die Fingerspitzen aneinander. »Wie es scheint, haben die Admiralität und alle anderen die Zor massiv unterschätzt. Alle … bis auf Ivan Hector Charles, Lord Marais, Vizeadmiral, Imperiale Navy, im Ruhestand.«
»Mit anderen Worten …«
»Mit anderen Worten, mein alter Freund – Marais hatte Recht, zumindest in einem Punkt. Wichtiger aber ist, dass irgendjemand - und Gott allein weiß, wer das war – ein Exemplar von Der totale Sieg dem Imperator zugespielt hat. Das Ergebnis davon ist, dass Marais letzte Woche an den Imperialen Hof bestellt wurde.«
Torrijos schnaubte verächtlich. »Ich möchte wetten, er will reaktiviert werden.«
Wieder huschte ein Lächeln über McMasters’ Gesicht. »Genau. Aber das ist nur ein Teil der Fakten. Lord Marais hat darum ersucht, zum Admiral der gesamten Flotte ernannt zu werden, um das Kommando über alle Offiziere zu bekommen.«
Ein Truppentransporter rollte über die Hauptlandebahn, die für ihn frei gemacht worden war. Die Vibrationen waren im Fußboden zu spüren, außerdem klirrten die Fensterscheiben, obwohl die Entfernung über eineinhalb Kilometer betrug.
»Was hat er?«
»Den meisten Anwesenden am Hof Seiner Majestät verschlug es prompt die Sprache, aber der Imperator erklärte, er werde darüber nachdenken. Offenbar wurde auf den First Lord der Admiralität massiv Druck ausgeübt, denn Marais’ Bitte wurde stattgegeben. Mit Wirkung ab dem 1. April 2311, also von heute an in drei Wochen, ist Ivan Lord Marais Ihr und mein vorgesetzter Offizier. Und das gilt natürlich auch für jeden anderen – Raumflotte, Marine, Luftwaffe und Bodentruppen. Im Kampfgebiet genießt Marais uneingeschränkte Autorität.«
»Sir, das ist ein Skandal … eine Beleidigung! Werden Sie das hinnehmen?«
»Was soll ich denn Ihrer Ansicht nach machen? Zurücktreten? Marais festnehmen, wenn er eines unserer Schiff betritt? Ihn zum Duell herausfordern? Einen Attentäter auf ihn ansetzen? Das hier ist nicht 3-V, das ist die Realität, mein Freund. Mir bleibt gar keine andere Wahl, als das hinzunehmen. Entweder Lord Marais ist ein fähiger Mann, dann werden wir alle daraus Nutzen ziehen. Oder er ist unfähig, dann wird meine Anwesenheit vielleicht dafür sorgen, eine völlige Katastrophe zu verhindern. Sie müssen wissen, dass man mir den Posten des Chief of Staff angeboten hat.«
»Vom Imperator?«
»Von Marais selbst.«
»Inoffiziell gesprochen, Admiral – der Mann ist dreist.«
»Da haben Sie Recht, aber er genießt auch das Vertrauen Seiner Imperialen Majestät. Womit wir bei Ihnen wären, Sergei. Ich bin aus dem Rennen, da ich dienstuntauglich bin. Was einem da an der Akademie vermittelt wird, dass ein Gefechtsoffizier so etwas wie ein Supermann sein muss, der stark, genial und so weiter ist … alles Unsinn. Aber eines muss ein Gefechtsoffizier: Er muss gehen können, er darf nicht humpeln. Sie werden mir ein neues Bein wachsen lassen, doch damit bin ich für ein Jahr oder noch länger außer Gefecht gesetzt. Auf jeden Fall wird die Zeit reichen, um mich überflüssig werden zu lassen. Vor allem, wenn Krieg herrscht. Ich werde für die Zeit einen Schreibtischjob übernehmen müssen, und wenn schon, kann es auch der Schreibtisch des Chief of Staff für Marais sein. Das gibt mir wenigstens die Möglichkeit, ihn zu beraten, vor allem bei seiner Entscheidung hinsichtlich des Kommandanten des Flagg-Geschwaders.«
Sergei hatte schweigend zugehört, doch die letzte Bemerkung sorgte dafür, dass er leicht zusammenzuckte, als er begriff, was sie bedeutete. Ehe er jedoch etwas sagen konnte, fügte McMasters an: »Ich sagte ihm, Sie seien der Beste der ganzen Flotte. Er hielt Sie zwar für zu jung und unerfahren, aber ich konnte ihm versichern, dass fünfzehn Jahre auf der Brücke eines Raumschiffs Erfahrung genug für einen Mann von Ihrer Begabung sind. Sie waren mein Steuermann, mein XO, mein Wing Commander, Sergei, und ganz offen gesprochen: Sie sind verdammt noch mal der beste Offizier, mit dem ich jemals dienen durfte. In eineinhalb Monaten wird Admiral Marais einen Vorstoß ins Zor-Territorium unternehmen, der entweder unser größter Triumph in einem halben Jahrhundert Krieg oder eine völlige Katastrophe werden wird. Vielleicht wird Marais' Strategie darüber entscheiden, vielleicht aber auch Ihr Geschick. Ich möchte, dass Sie mit dabei sind – als sein
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