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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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ihm von seinem Vater mit seinem hsi gegeben worden war, unmittelbar bevor der zu esLi ging. Er kannte den Traum in all seinen Einzelheiten, als hätte er ihn selbst geträumt. esLi hatte zu seinem Vater gesprochen, womöglich aber auch zu ihm selbst. Die Grenzen der Zeit dehnten sich immer und waren beim Träumen nur schwer wahrzunehmen. Der Lord hatte in dem Traum nicht Sein Gesicht gezeigt, aber er hatte mit den Echos der Ebene der Schmach gesprochen.
    »Siehe, Hoher Lord«, hatte esLi gesagt. »Ich habe dir das Universum gegeben, damit du darüber herrschst. Ich habe dich den Inneren und Äußeren Frieden gelehrt. Ich habe dich mit Meinen Klauen vereint und dich mit Meinen Worten geführt. Doch du hast dieser Abscheulichkeit erlaubt, die Welt zu beschmutzen, die Ich dir gab.«
    Als Antwort auf die unausgesprochene Frage des Hohen Lords tauchte vor ihm das Bild einer fremden Kreatur auf – ein blasses, flügelloses Wesen, fleischig, hässlich und unangenehm.
    »Diese Widerwärtigkeit, Hoher Lord, diese Rasse ist jenseits der Grenzen des Zor-Reichs aufgetaucht, sie ehrt weder den Inneren noch den Äußeren Frieden. Ihre Existenz darf nicht zugelassen werden, Hoher Lord. Sie ist ein Affront gegen dich, sie ist ein Affront gegen mich. Ich übertrage dir daher eine große und ernste Aufgabe. Du musst diese Rasse auslöschen, du musst sie vom Antlitz des Himmels reißen. Denn wenn du es nicht machst …« Der Lord esLi wandte sich ihm schließlich doch zu und betrachtete ihn mit seinem Furcht einflößenden, eisernen Gesicht. »Wenn du es nicht machst, Hoher Lord, dann hast du mich zum letzten Mal gesehen. Das gilt auch für deine Nachfolger.«
    An dieser Stelle endete der Traum. Es war nicht der letzte Traum, den sein geehrter Vater erfahren hatte, doch er war das Alarmsignal Seiner Lordschaft gewesen. Dort draußen – jenseits der Meditationskammer, jenseits der Zor-Heimatwelten – strebten seine Brüder und Cousins danach, das Geheiß auszuführen, das esLi Selbst aufgetragen hatte. Vorsichtig hatte sich der Vater des Hohen Lords – und dann auch der momentane Lord – in den sumpfigen Ozean der vorhersehenden Träume zurückgewagt, und die Spezies hatte sich von ihnen beiden führen lassen.
    Die Erinnerung an diesen schrecklichen Traum war immer da, und von Zeit zu Zeit war sie besonders stark, als versuche etwas aus der dunklen Halbwelt der Träume hervorzutreten – oder als sei in der Welt des Lichts etwas geschehen, das Auswirkungen hatte auf die Träume des Hohen Lords.
    Während er weiter in der Kammer saß und darauf wartete, dass die Träume kamen, fragte sich der Hohe Lord, welche von beiden Möglichkeiten – wenn überhaupt – es wohl war.
    Bei einem vernünftigeren Widersacher als die Zor hätte die Strategie der letzten sechzig Jahre – ein beiderseitiges Zurückstecken -letztlich keinen so hohen Preis gefordert und aus Feinden sehr wahrscheinlich Verbündete gemacht. Während die Feldzüge der Zor immer dreister und aggressiver wurden, hatte sich die Menschheit zu einer berechenbaren Größe entwickelt, da sie riskante, aber potenziell siegreiche Strategien ablehnte und stattdessen solche befürwortete, die den Status quo bewahrten.
    Das Imperium bestand nun seit fast zwei Jahrhunderten, weil diese Strategie immer wieder erfolgreich bei aufständischen Kolonien zum Einsatz gekommen war. Wenn sich die Aufrührer nicht durch die Anwendung eingeschränkter Gewalt ruhig stellen ließen, wurde den Forderungen einer Kolonie – im Regelfall ein verbesserter politischer Status innerhalb des Imperiums, bessere Handelsbeziehungen, oft auch eine Vertretung im Senat – stattgegeben, wobei man sich der erneuernden Energie der Rebellen bediente, um sie der Verteidigung des Erreichten zugute kommen zu lassen. Der Großvater des derzeitigen Imperators hatte diese Verfahrensweise zur obersten Maxime erklärt, als er nach der Vernichtung von Alya Zurückhaltung predigte, was den Umgang mit den Zor betraf. »Man darf einen potenziellen Verbündeten niemals völlig vor den Kopf stoßen«, hatte der alte Imperator gesagt, »selbst wenn er im Moment ein Feind ist.« Mehr als ein halbes Jahrhundert lang spielte das Sol-Imperium auf Zeit und hoffte darauf, aus den Zor Verbündete zu machen, obwohl es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen mit ihnen kam.
    Die Zerstörung von L’alChan trug kaum etwas zum Sieg über die Zor bei, weder kurzfristig noch langfristig. Doch es war wie ein Fanfarenstoß, ein Fanal

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