Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
an der er sich festgeklammert hatte.
Vorsichtig stand er auf und ging durch den Raum. Die Schwerkraft fühlte sich richtig an, doch die Atmosphäre hatte etwas Verkehrtes, Fremdes an sich, und ein schreckliches Unbehagen erfasste ihn. Als er die Wand berührte und die hRni’i zu lesen versuchte, bestätigte sich sein Unbehagen auf schreckliche Weise. Die hRni’i waren lediglich Projektionen, dreidimensionale Holos, keine Gravuren. Sie waren nicht berührbar.
S’rchne’e. Natürlich, dachte er. S’rchne’e wurde von esHu’ur zerstört, vor zwei dreiachtel Monden. Und nun hängt er das Emblem seines niedergewalzten Feindes an die Wand, so wie es einer vom Volk machen würde.
Dies war kein Nest, doch es war auch nicht die Vorkammer, in der er auf das Urteil von esLi warten sollte, wie man es ihn gelehrt hatte. Er war nicht in die nächste Welt gelangt, aber er lebte und befand sich vermutlich in der Hand der naZora ’i. Als er erwacht war, hätte es ihm auffallen müssen, denn unter keinen Umständen wäre es möglich gewesen, die Zerstörung von Ka’ale’e A’anenu zu überleben. Auf eine ungeahnte Weise hatte er die Zerstörung nicht ausführen können, er war nicht umgekommen, stattdessen war er in die Gefangenschaft des Feindes geraten.
So unwahrscheinlich es ihm auch vorgekommen wäre, hätte er doch die Möglichkeit bereitwillig akzeptiert, dass er die Zerstörung der Basis überlebt hatte und zum Volk zurückgekehrt war. Doch wenn die Menschen ihn gefasst hatten, war er mit seiner Mission fast sicher gescheitert. Nun wurden seine Gedanken von denen der Menschen durchdrungen – die Sache, die ein Fühlender am meisten fürchtete –, und er war ein idju, was schlimmer war als der Tod. Er war entehrt, und esLi hatte den Blick von ihm abgewandt. Diese Erkenntnis lähmte Rrith, weil es über alles hinausging, was er sich je hatte vorstellen können.
Zudem machte es ihn wütend, so wütend, dass er auf einmal sein ehya mitsamt Scheide packte und durch den Raum schleuderte. Es prallte von der Wand ab und landete auf dem Boden, dann hörte er es knurren – vielleicht seinetwegen, vielleicht wegen der Behandlung, die er ihm gerade eben zugemutet hatte. Doch das war gleich, denn es gehörte ihm nicht länger. Er wurde von seinen Gefühlen überwältigt, die in ihm aufstiegen, während er noch einmal versuchte, die hRni’i zu lesen.
Einige Stunden Schlaf taten jedem gut. Während der Zeit, in der die A’anenu-Station gesichert wurde, waren zwei Geschwader der Fünften Flotte eingetroffen und hatten ihre Loyalität gegenüber Admiral Marais erklärt. Sie brachten Neuigkeiten von draußen mit, die die Flotte und das Imperium betrafen. Sergei hatte sie pflichtbewusst an den Admiral weitergeleitet, der auf die Lancaster zurückkehrte und verlauten ließ, er wolle nicht gestört werden.
Diese Neuigkeiten waren aufregend und beunruhigend zugleich. In der Flotte hatte sich längst herumgesprochen, dass Marais suspendiert worden war, und im Imperium kochten die Emotionen hoch. Die Leute stellten sich auf eine von beiden Seiten; sie waren entweder strikt gegen das, was durch den Feldzug angerichtet worden war, und forderten den Kopf des Admirals, während die anderen fest davon überzeugt waren, dass er das Richtige tat.
Sergei wusste nicht, wie es geschehen war, nahm sich aber vor, es herauszufinden – auf jeden Fall waren Mitschriften und Aufnahmen des Feldzugs der Opposition in der Imperialen Versammlung zugespielt worden. Der Premierminister war offenbar zum Rücktritt gezwungen worden, und nun gab es ein schreckliches Theater, bei dem die Imperiale Navy im Mittelpunkt stand.
Was die Flotte anging, so hatte die Admiralität Marais offiziell zum Gesetzlosen und Verräter erklärt. Dennoch standen viele Commander der Flotte zu seinen Aktionen. Der Standpunkt der Zivilregierung, die hunderte von Parsec entfernt war, hatte eindeutig das Nachsehen. Sergeis Einstellung war klar. Er hatte sich bereits vor A’anenu entschieden, als er sich weigerte, seinen Posten aufzugeben.
Diesen Rubikon in seiner Karriere hatte er längst überschritten. Sergei wusste, die Strafe, die Marais erwartete, sollte er je ins Imperium zurückkehren, würde minimal ausfallen im Vergleich zu dem, was ihn selbst erwartete, da er nicht von einem Flagg-Dienstgrad geschützt wurde.
Der Admiral hatte immer noch eine Entscheidung zu treffen, was mit den Neuankömmlingen geschehen sollte. Nachdem Sergei hinsichtlich der Aktivitäten an
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