Bd. 3 - Der dunkle Stern
wohl das Sol-System zum Ziel haben sollten. Er hatte nicht die dortige Flottenakademie besucht, sondern war vom OKS außerhalb der Inneren Sphäre befördert worden. So wie die meisten Bürger des Imperiums war er auf einer anderen Welt geboren und aufgewachsen. Für ihn war das Sol-System ein Punkt auf einer Sternkarte, ein Thema, über das man in Geschichtsbüchern lesen konnte, aber es war kein Ort, den man besuchte.
Im System Kiu Ho wurde ihnen nicht einmal erlaubt, den Gasriesen anzufliegen, stattdessen kam ein unbemannter Tanker längsseits und versorgte sie mit genug Treibstoff, um den nächsten Sprung zu bewältigen. Abramowiczs Hoffnung auf eine Besichtigung des Heimatsystems wurde schnell hinfällig, als er seinen Befehl für den nächsten Sprung erhielt.
Von Kiu Ho ging es weiter ins Harrison-System auf der anderen Seite der Inneren Sphäre. Auch Harrison war vor dem Akzessionskrieg besiedelt worden. Es handelte sich um ein System mit zwei großen, industrialisierten Welten, die keinen Besuch wert waren. Sie blieben nur ein paar Stunden, also gerade lange genug, um aufzutanken und in Position für den nächsten Sprung zu gehen. Einmal wurden sie am Rand des Systems von Tankern versorgt.
Inzwischen wurden sie beim Eintreffen an jedem neuen Ziel erwartet. An Bord der Trebizond lagen die Nerven blank, die Anspannung stand kurz vor dem Siedepunkt. Zu schaffen machten dabei weniger die knappen Befehle von der Duc d’Enghien, sondern vielmehr das, was die Mitteilungen nicht enthielten und doch aussagten: Einer an Bord ist ein Alien.
Und irgendwo war jemand, der die Fähigkeit besaß, diesen Unterschied zu erkennen.
Als Nächstes erreichten sie Escorial, eine Welt, die Vollmitglied des Sol-Imperiums war, einundsechzig Parsec von Harrison entfernt. Vor hundert Jahren hatte sie an der Sol zugewandten Seite einer Region gelegen, die man die Neuen Territorien nannte -Systeme, die man im 23. Jahrhundert während des Kriegs den Zor abgenommen hatte. Inzwischen wurden in der Offiziersmesse und jeder anderen Messe des Schiffs Wetten angenommen, wohin diese Reise sie führen würde und wann sie endlich ihr Ziel erreichten.
Bei Escorial zogen sich die zwei Schiffe der Emperor Ian- Klasse sowie die beiden Broadmoor-Schiffe zurück und wurden durch vier Marineschiffe der Zor ersetzt, die dann zusammen mit der Duc d’Enghien die Eskorte der Trebizond bildeten. Als sie schließlich A’anenu am Rande der Antares-Verwerfung erreichten, war das Ziel offensichtlich: die Innersten Welten der Zor, nur gut fünfundzwanzig Parsec jenseits der Verwerfung.
Was sie dort erwartete, darüber konnte nur spekuliert werden.
Der silberschwarze Langley-Komplex erstreckte sich über einen Großteil von Callisto, beleuchtet vom unheimlichen wirbelnden Licht des Jupiter am Himmel. Der Imperiale Geheimdienst war eine gewaltige, größtenteils unsichtbare Bürokratie, die einem Labyrinth gleich in sich verschachtelt war. Die Navy kannte diese Einrichtung gut, vertraute ihr aber nicht sonderlich. Jackies instinktive Gefühle beruhten immer noch auf den Erfahrungen ihrer ursprünglichen Karriere. Die Ankunft im Zentrum dieser verborgenen Maschinerie hätte bei ihr Unbehagen auslösen können, doch in den letzten Monaten war ihr viel von ihrer Angst genommen worden – was jedoch nicht hieß, dass sie deshalb unvorsichtig geworden wäre.
Sie stand auf der Brücke der Fair Damsel und fühlte mehr, als dass sie es hörte, wie ein schwaches Summen vom gyaryu ausging. Dabei sah sie zu, wie Langley auf dem Bugschirm des Schiffs größer wurde. Sie wusste nicht, welchen Ursprung der Name in diesem Zusammenhang hatte, aber in der Navy bedeutete »Langley« so viel wie »Geister« : Offizier ohne offensichtliche Aufgaben; Fühlende ohne militärische Disziplin; mysteriöse Päckchen und versiegelte Befehle. Als sie das Kommando über Cicero übernommen hatte, war dort ein Typ vom Geheimdienst stationiert gewesen. Ein paar Monate später wurde er auf eine andere Station versetzt, als könne sich in dieser Ecke des Imperiums niemals etwas zutragen, was von Interesse wäre.
Innerlich musste Jackie lächeln. Gut zu wissen, dass sogar die Geister mal Fehler machen. Sie erinnerte sich an se Sergeis Worte, die er kurz vor der Abreise von Zor’a via gyaryu zu ihr gesprochen hatte. »Es ist allerdings anzunehmen, dass die Dinge, die man Ihnen nicht sagen wird, Ihnen mehr Anhaltspunkte liefern werden als alles, was man Ihnen sagt.« Sie konnten nicht alle
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